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Im Zentrum des operativen Arbeitens, also der Wertsteigerung fur Kunden, wie es in der Erwerbswirtschaft heist, steht bei Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen die Co-Produktion (vgl. Badura/Gross 1976: 66-78; Gross 1983: 44-85; Kaufmann 2002: 96-106, 125- 127). Das bedeutet: 1. Die Adressaten der Dienstleistungen, d.h. die Klienten, Patienten, Bewohner, Schuler etc. sind - abgesehen von Ausnahmesituationen wie Koma, Narkose etc. - nicht passive Objekte des Tuns der Leistungserbringer, sondern aktiv mitwirkende Subjekte. 2. Zum Kern der Leistungserbringung gehoren nicht ausschlieslich Methoden und Arbeitstechniken, die auf die Linderung oder gar Beseitigung konkreter Defizite wie Wissenslucken, Obdachlosigkeit, Krankheit, Behinderung, Drogenabhangigkeit etc. gerichtet sind, sondern ebenso Fachwissen und Geschicklichkeit zur Motivierung der Adressaten, aktiv mit zu tun. 3. Der Prozess des Ubermittelns und Empfangens von personalen Dienstleistungen erfolgt uberwiegend zeitgleich - uno actu - sowie durch Interagieren, also beidseitiges Handeln in Anwesenheit des Anderen. 4. Im Verlauf des Interagierens lernen beide Seiten - freiwillig oder unfreiwillig - durch Beobachten des Anderen voneinander und versuchen, das Erlernte - mehr oder weniger geschickt - bei den jeweils folgenden Aktivitaten zu nutzen oder zumindest einfliesen zu lassen. So entwickelt sich eine Eigendynamik des Interaktionsprozesses. 5. Diese Eigendynamik macht es fur den Leistungserbringer – Lehrer, Pfleger, Therapeut, Arzt etc. – schwierig oder gar beschwerlich, das erlernte Fachwissen und -konnen planmasig und vollig regelgerecht einzusetzen. Gefordert ist Improvisation, die beim Gegenuber ebenfalls ungewohntes Handeln auslosen kann, was erneutes Improvisieren erfordert.

Immer dann, wenn das Wirtschaftswachstum stagniert oder gar rucklaufig ist, erwachen die an Wohlstand gewohnten Zeitgenossen aus dem “Kurze (n) Traum immerwahrender Prosperitat”, wie es Burkhart Lutz (1984/1989) im Titel seines Buches gekennzeichnet hat. Das trifft in den alten Bundeslandern fur die Rezessionsjahre 1974 bis 1976 und 1980 bis 1982 ebenso zu wie fur die Wirtschaftsrezession von 1991/92 bis 1993/94. Die Ruckkehr aus einem als angenehm erlebten Traum in die graue Alltagswirklichkeit fuhrt meist zu anfanglicher Desorientierung und anschliesender Verstimmung. Eines der Symptome der Desorientierung ist die bange Doppelfrage, ob 1. das Niveau der erreichten Sozial- und Gesundheitssicherung noch finanzierbar und gewahrleistet ist, und ob 2. die etablierten Ordnungsprinzipien der Versorgung mit Sozial- und Gesundheitsgutern oder -diensten weiterhin tragfahig sind. Die Suche nach Antworten war Ende der 70er Jahre kaum anders als seit 1992 (vgl. Hegner 1979; Schneider 1993; Damkowski/Luckey 1994, S. 23-38).

Mit Bezug auf die Daseinsvorsorge im Sozial- und Gesundheitsbereich bieten sich prinzipiell folgende Alternativen zu staatlichen Aktivitäten an: individuelle Selbsthilfe und soziale Selbstorganisation Problembetroffener sowie Leistungs- oder Dienstangebote durch private Unternehmen und durch freigemeinnützige Träger der Wohlfahrtspflege. Am Beispiel ambulanter Pflegedienste für Kranke, Altersschwache und Behinderte wird in diesem Artikel die Frage untersucht, wie leistungsfähig kirchliche und verbandliche Träger der freien Wohlfahrtspflege sind und in welchem Umfang sie zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Des weiteren wird am Beispiel der Konzipierung und Implementation staatlicher Förderrichtlinien für 'Sozialstationen' dargestellt, auf welche Weise Bundesländer und Kommunen einerseits sowie organisierte 'gesellschaftliche Kräfte' (Kirchen, Verbände) andererseits bei der Entdeckung, Definition und Bearbeitung eines sozialen Problems ('Pflegenotstand') kooperieren. Die empirischen Untersuchungsergebnisse werden unter Bezug auf aktuelle Theoriediskussionen interpretiert: beispielsweise Neo-Korporatismus, Implementationsforschung, politisch-ökonomische Sektortheorien ('third sector', 'autonomer Sektor').

At the base of our argumentation is the critique of present concepts in the sociology of organization, which often adapts to the perspectives of concrete organizations or of concrete publics. With this paper we reject this bias by strictly separating the scientific approach from the perspectives and interests of either the concrete organization or the concrete public. This leads to a new approach: dealing with the relationship between organizations and their public on a less abstract level of problem formulation (than for example the approach of ’“complexity-difference”). Our concept is that the relationship between organizations and their public can be characterized by four dimensions: power, potential of information, definition of the situation, and concrete expectations. According to the different constellations of those four dimensions the type of contact between organization and public can determined as communication or interaction. The analysis should prove whether those four dimensions can be interpreted as steps of operationalization of more abstract concepts. The conditions for the transition of an interaction into a system of interaction are specified: identical language level of the partners of the interaction, openess for processes of learning in the situation, and the mechanisms of boundary construction. Finally the consequences of this concept of relationship between organization and public are drawn for the separate analysis of the organization and for the separate analysis of the public. These deduced questions are to be interpreted as the base for an empirical research project dealing with the relationship problem in public administration.

Der Ruckblick auf drei Jahrzehnte Arbeitszeitdiskussion erfolgt aus der Sicht der ersten Halfte der 80er Jahre. In Kapitel 5.1 werden einige Aspekte der realhistorischen Situation dieses Zeitabschnitts skizziert. Die Auswertung der praxisnahen Zeitschriften endet im Mai 1982, als die Tarifparteien zwar zunehmend heftiger uber die Arbeitszeitgestaltung stritten, jedoch der Arbeitskampf in der Metallindustrie von 1984 noch nicht absehbar war. Voraussehbar war allerdings, das die von Gewerkschaftsseite geforderte generelle Verkurzung der Wochenarbeitszeit und die ihr von Arbeitgeberseite entgegengestellte Forderung nach Arbeitszeitflexibilisierung zu langerfristigen Auseinandersetzungen zwischen den Tarifparteien fuhren wurden. In dieser Situation haben wir zwischen Dezember 1982 und August 1983 (in zwei Fallen auch noch im Herbst 1984) mit Hilfe von Leitfaden-Interviews mit Vertretern der Tarifparteien und Sozialversicherungen untersucht, welche Aspekte der Arbeitszeitgestaltung sowie ihrer Auswirkungen auf seiten der einzelnen Akteursgruppen fur wichtig erachtet und argumentativ genutzt werden. Daruber wird in den Abschnitten 5.2–5.5 berichtet.

Die Entwicklung einer Gesellschaft analysieren und verstehen zu wollen, ist ein auserst anspruchsvolles, wenn nicht gar vermessenes Unterfangen. Man mus sich schon als “spekulativer Unternehmer” (N. Luhmann) fuhlen, wenn man sich an diese Aufgabe heranwagt. Um sie bewaltigen zu konnen, bedarf es vor allem des Muts zur groben Vereinfachung. Das gilt fur hochkomplexe Theorieansatze (z.B. historischer Materialismus, Systemtheorie) ebenso wie fur bildhafte Darstellungen (Metaphern wie beispielsweise die “Bienenfabel” von Mandeville). Es ist kein Wunder, das zahlreiche Versuche, die Gesellschaftsordnung und -entwicklung zu beschreiben, auf ein Teilsystem zuruckgreifen, von dem her dann Aussagen uber das ‘Ganze’ abgeleitet werden. Ausgangspunkt fur solche Bemuhungen ist seit dem 18. Jahrhundert der Ruckgriff auf das Teilsystem Wirtschaft, d.h. auf die Organisation der Bedarfsdeckung (Polanyi 1944/1978). Jedoch zwingt selbst die Konzentration auf ein gesellschaftliches Teilsystem zu analytischen Vereinfachungen, um komplexe Entwicklungszusammenhange begreifbar zu machen. Beliebt sind beispielsweise Dreiteilungen (Triaden). Hierzu zwei Beispiele, die mit evolutionistischen Annahmen der Autoren verbunden sind: - Mit Bezug auf ‘typische’ Produkte wirtschaftlicher Aktivitaten wird zwischen drei Sektoren unterschieden: primarer, sekundarer und tertiarer Sektor. Theoretiker und Propheten der “postindustriellen Gesellschaft” gehen davon aus, das die gesellschaftliche Entwicklung durch eine Gewichtsverlagerung wirtschaftlicher Aktivitaten vom primaren uber den sekundaren auf den tertiaren Sektor gekennzeichnet ist (vgl. statt anderer BELL 1973).

Im Januar 1967, also vor rund zwanzig Jahren, wurde im grosten Wirtschaftszweig der Bundesrepublik Deutschland, der Metallindustrie, nach langem Ringen der Tarifparteien die tarifliche 40-Stunden-Woche eingefuhrt. Zehn Jahre spater, auf dem Gewerkschaftstag 1977, erhob die groste Einzelgewerkschaft der Bundesrepublik, die IG Metal1, offiziell die Forderung nach Einfuhrung der 35-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbande antwortete darauf in einem Koordinationspapier vom Herbst 1978, spater in der Offentlichkeit Tabu-Katalog genannt, mit einer strikten Ablehnung jeder weiteren Verkurzung der Wochenarbeitszeit. Sechs Jahre danach, also 1984, vereinbarten die Tarifparteien der Metal1industrie nach einem wochenlangen Arbeitskampf den Ubergang zur 38,5-Stunden-Woche. Das geschah allerdings nicht im Sinne einer schematischen Verkurzung der Wochenarbeitszeit, sondern in Verbindung mit der Moglichkeit einer Ausfacherung (Differenzierung) des individuellen Arbeitszeitvolumens der Vollzeitbeschaftigten zwischen 37 und 40 Wochenstunden sowie einer ungleichmasigen Verteilung der Arbeitszeit gemas Arbeitsanfall. Zugleich wuchs der Aushandlungs- und Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien bei der Umsetzung der Manteltarifvertrage in die betriebliche Praxis. Die Tarifparteien hatten tarifpolitisches Neuland betreten. 1)

Der querschnittartige Uberblick uber die drei Jahrzehnte hat deutlich gemacht, welche Akzentsetzungen fur die Diskussionen des Gesamtzeitraums charakteristisch gewesen sind. Die diesbezuglichen Daten liesen spezifische Wahrnehmungsmuster und Argumentationsfiguren deutlich werden. Einige von ihnen wurden in den 33 Jahren fortwahrend wiederholt und pragten somit die Diskussionen, wahrend andere nur vergleichsweise selten vorkamen und ein Schattendasein fristeten.

Im Zentrum der folgenden Abschnitte stehen die an der Arbeitszeitdiskussion beteiligten Akteure. Es soll geklart werden, welche Arbeitszeitformen von relevanten Akteursgruppen in Zeitschriftenbeitragen thematisiert worden sind und mit welchen beschaftigungs-, humanisierungs- und sozialversicherungsbezogenen Wirkungen die Arbeitszeitformen in Beziehung gesetzt wurden. Dabei interessiert die Intensitat der Akteursbeteiligung an den Diskussionen sowohl im Gesamtzeitraum der 33 Jahre als auch in unterschiedlichen Perioden des Untersuchungszeitraums 1950 bis 1982.

Angesichts der nach dem Jahr 1984 wiederum verscharften Auseinandersetzungen uber die Verkurzung und Flexibilisierung der „Arbeitszeiten“ liegt die Yermutung nahe, das nur eine Analyse der gegenwartigen Situation und ihrer Besonderheiten Auswege fur die Zukunft aufzeigen kann. Diese Vermutung ist nur teilweise richtig. Wir meinen demgegenuber, das ein genaueres Verstandnis der Entwicklungspotentiale der gegenwartigen Situation nur moglich ist, wenn man ihre kurz- und mittelfristige Vorgeschichte kennt.

Gegenwartig gibt es keine Anzeichen dafur, das die Zahl der Arbeitslosen vor dem Ende unseres Jahrhunderts auf weniger als eine Million sinken wird (Klauder/ Schnur/Thon, 1985, 59 ff.). Dieser Prognose liegt die Annahme zugrunde, das sich weder die Entwicklung des Bevolkerungsaufbaus und des Erwerbspersonenpotentials noch die Erwerbsneigung der Deutschen und Auslander kurzfristig verandern lassen und das sowohl die Beschaftigungspolitik als auch die Arbeitsmarktpolitik im wesentlichen in den Gleisen der bisherigen Wirtschafts- und Sozialpolitik weitergefahren werden.

Wenn man davon ausgeht, das sozialpolitisches Handeln einen relativ genau abgegrenzten Kreis von Handlungsadressaten, Leistungs- oder Hilfebedurftigen, potentiellen Einrichtungsbenutzern usw. voraussetzt, um gezielt wirksam werden zu konnen, dann gibt es gute Grunde zu behaupten, das gegenwartig eine Sozialpolitik fur Behinderte und psychisch Gestorte bestenfalls in Ansatzen vorhanden ist. Denn es gibt weder genaue Angaben uber die Grose des in Frage kommenden Personenkreises noch prazise und allgemein anerkannte politisch-administrative Definitionen von „Behinderung“ oder „psychischer Storung“.

Im Unterschied zum angelsachsischen Sprachgebrauch bilden soziale Dienste lediglich einen Teil des breiten Spektrums offentlicher Sozialleistungen, die neben den Einkommens- und Sachleistungen auch die sog. allgemeinen Dienste und Leistungen umfassen (von Ferber 1967; Kaufmann 1980; Sozialbericht 1982). Zu den sozialen Diensten gehoren beispielsweise die „personlichen Hilfen“ nach Bundessozialhilfegesetz, also die Beratung und Betreuung der Hilfebedurftigen, die pflegerischen und ein Teil der medizinischen Dienstleistungen nach der Reichsversicherungsordnung, die Beratung und Betreuung psychisch Gestorter nach den Psychisch-Krankengesetzen der Bundeslander, aber auch die Altenhilfe oder die Ehe-, Erziehungs- und Familienberatung. Gemeinsames Kennzeichen dieser beispielhaft genannten sozialen Dienste sind zwei Merkmale

Bevor die Diskussionen uber Aspekte der Arbeitszeitgestaltung als historischer Prozes, also im Sinne einer Abfolge periodenspezifischer Akzentsetzungen, beschrieben werden, geht es in diesem Kapitel zunachst darum, die thematischen Schwerpunkte — und Unterbelichtungen! — des Gesamtzeitraums herauszukristallisieren.1) In diesem Zusammenhang erhalt der Leser zugleich einen ersten vertieften Einblick in die operationalisierten Analysedimensionen, die bei der Auswertung der Zeitschriften zugrunde gelegt wurden.

Im folgenden werden Antworten auf drei Fragen gesucht: 1. Wie last sich das breite Spektrum der Organisationsformen von Selbsthilfe begrifflich-theoretisch so ordnen, das sich Sozialplaner besser als bisher in ihren Uberlegungen und Masnahmen darauf einstellen konnen? 2. Welche Kriterien sind geeignet, um genauer als bisher angeben zu konnen, ob und unter welchen Bedingungen Selbsthilfe entweder eine Alternative oder eine Erganzung zu etablierten Formen der Erbringung von Sozialleistungen ist? 3. Welche Formen der offentlichen Unterstutzung sind im Rahmen der Sozialplanung vorzusehen, um Selbsthilfe und Selbstorganisation zu fordern, ohne ihre Eigenstandigkeit auszuhohlen?