1. Die Arbeit berichtet uber funfmonatige Felduntersuchungen an der einzigen europaischen Winkerkrabbe, Uca tangeriEydoux, im Mundungsgebiet des Guadalquivir (Andalusien). Im Mittelpunkt stehen ethologische (zum Teil experimentelle) Studien uber Balz und Balzerfolg. 2. Vielfaltige Zusammenhange zwischen der Sexualbiologie der Krabben und okologischen Bedingungen erfordern eine einleitende Kennzeichnung des Biotops hinsichtlich seiner raumlichen Differenzierungen, der zeitliehen Veranderungen und der Uca-Feinde. Als bestimmende Faktoren werden vor allem Gezeitenschwankungen und das Scherenernten der Andalusier genannt. 3. Das Winken, die wichtigste Balzform von U. tangeri, last sich hinsichtlich seiner raumlichen und zeitliehen Verteilung bestimmten auseren und inneren Bedingungen zuordnen. Als wichtigster auserer Faktor ist die Beschaffenheit des Untergrundes in der Hohlenumgebung zu nennen. Die jahreszeitliche Begrenzung des Winkens last sich bisher nicht aus auseren Bedingungen erklaren. Die Winkfrequenz schwankt in Abhangigkeit von der Balzerregung und der Temperatur der Bodenoberflache. 4. Der Bewegungsmodus des Winkens zeigt eine Anderung in Abhangigkeit von der Balzerregung. Es lassen sich danach Winkstufen unterscheiden, die mit bestimmten Balzzonen korrespondieren, welche das Weibchen bei Annaherung an das balzende Mannchen durchlauft. 5. Winken bei Fehlen eines Objekts innerhalb der Balzzonen wird als Spontanwinken vom eigentlichen Balzwinken unterschieden und als appetenzartige Aktivitat mit der Funktion der Anlockung und Orientierung des Weibchens verstanden. 6. Durch Attrappenversuche konnte weitgehend geklart werden, welche Partnermerkmale das Drohen bzw. Balzwinken der Mannchen auslosen. Bei Drohreaktionen spielt die weise Scherenfarbe des Partners die Hauptrolle, beim Winken ein dreifach gestaffeltes Ausloseschema, das in direkter Beziehung zu den Balzzonen steht, mit den Winkstufen korrespondiert und von weiteren, zonenunabhangigen Signalreizen uberlagert wird. Das Winken ist eindeutig auf wandernde Weibchen abgestimmt. Zwischen Winken und Drohen besteht ein strenges Alternativverhaltnis. 7. Als weitere Balzform kommt bei U. tangeri das Klopfen mit der grosen Schere vor, das an den Vibrationssinn der Weibchen gerichtet ist und gelegentlich akustische Nebeneffekte hat (besonders beim unterirdischen Klopfen). 8. Es lassen sich zwei Klopftypen (langer und kurzer Trommel-wirbel) unterscbeiden. Wahrend der kurze (vermutlich vom langen abzuleitende) Wirbel nur im Paarungsverhalten Anwendung findet und das Winken unter bestimmten auseren Bedingungen vollig ersetzen kann, wird der lange Wirbel auch bei Hohlenerwerb und -verteidigung gebraucht. 9. Experimente zur Auslosung des unterirdischen Klopfens konnten deutlich machen, das nur die Bewegungen einer ruhig uber eine trockene Bodenoberflache wandernden Krabbe stimulierend wirken. 10. Winken und Klopfen sind die einzigen Balzformen von U. tangeri. Das auch von anderen Uca-Arten bekannte “posing” hat keine Funktion innerhalb des Paarungsverhaltens, sondern ist als eine Anderung des Gesamtzustandes zu verstehen, von welcher Krabben beiden Geschlechts betroffen werden konnen und die wahrscheinlich mit Regenerations-und Hautungsprozessen zusammenhangt. 11. Das Wandern der Krabben, denen die Balz der hohlenbesitzenden Uca-Mannchen gilt, last sich weitgehend aus einer Diskrepanz zwischen den Grundbedurfnissen der Ernahrung und des Hohlenbesitzes und den wechselnden okologischen Bedingungen des Biotops verstehen. 12. Der Balzerfolg gegenuber diesen Wanderern steht im krassen Misverhaltnis zum Balzaufwand der Hohlenbesitzer. Wanderer beiden Geschlechts (auch die Mannchen, sofern sie im Balzirrum angewinkt werden) folgen balzenden Mannchen nur kurzfristig nach (Scheinfolgeleistungen). Versuche mit Winkattrappen (besonders nach Abschlus der Balzsaison) machen er wahrscheinlich, das fur die Mehrzahl der Wanderer das Winken nur noch eine Orientierungsfunktion hat und ihnen hauptsachlich eine schiitzende Hohle anzeigt. 13. Da im Sommer 1960 nur eine einzige echte Folgeleistung eines Weibchens (langfristiges Verweilen beider Partner in der vom Mannchen verschlossenen Hohle) registriert werden konnte, aber mehr als hundert oberirdische Kopulationen und Paarungsversuche, wird die Auffassung vertreten, das sich die Paarung bei U. tangeri in Andalusien ganz weitgehend von der normalen Balz abgelost hat. Die Weibchen werden von den Mannchen meist an ihrer Hohle aufgesucht. 14. Unter den oberirdisch kopulierenden Mannchen sind Opfer des Scherenerntens zahlreich, so das das besondere Sexualverhalten der andalusischen Winkerkrabben ein Zuchtungsprodukt des Menschen sein konnte. 15. Fur die oberirdische Copula wird besonders die Nacht benutzt. Eine nachtliche Aktivitat wurde jedoch vorwiegend im Juni und Juli 1960 (besonders in dunklen Nachten bzw. Nachtstunden) beobachtet. Die fast vollstandige Unterbindung der nachtlichen Aktivitat im folgenden Sommer wird auf die Vermehrung der Wanderratten am Guadal-quivir und ihre Umstellung auf die nachtliche Erbeutung lebender Krabben zuruckgefuhrt. 16. Durch Sektion fixierter Krabben und mikroskopische Untersuchung von Eiern konnte ein Monatszyklus der Ovarienreifung und Embryonalentwicklung au.fgezeigt werden. 17. Morphologische und ethologische Studien an den Jugendstadien machen es wahrscheinlich, das die kleinsten Krabben bereits eigene Hohlen besitzen und das die Ontogenese der Heterochelie der Mannchen anders verlauft, als von T. H. Morgan (1923, 1924) angegeben. 18. Die Winksehere ist bei kleinsten Uca-Mannchen noch an der Nahrungsaufnahme beteiligt und verliert die Fahigkeit zu dieser Funktion auch bei den ausgewachsenen Mannchen nicht ganz (Versuche mit Amputationen der Fresschere).