Back to Search Start Over

Aktualisierte neuropathologische Klassifikation der Spina bifida und deren Relevanz für Forschung und Klinik

Authors :
Schindelmann, Kim Hannah
Publication Year :
2023
Publisher :
Charité - Universitätsmedizin Berlin, 2023.

Abstract

Spina bifida (SB) ist ein Oberbegriff für verschiedene Phänotypen, denen eine Schlussstörung der Wirbelbögen gemein ist. Neuropathologische Befunde von Fällen mit SB werden oft mit unpräziser und überschneidender Terminologie befundet. Insbesondere der Begriff Myelomeningozele wird dabei synonym für SB aperta (SBA) sowie für verschiedene Subtypen – auch solche ohne vorwölbende Zele – verwendet. Der Phänotyp Myeloschisis mit offener Neuralplatte wird nur bei schwer betroffenen Ausnahmefällen mit Anenzephalie beschrieben. Ziel der Arbeit war es daher, basierend auf einer retrospektiven Studie mit 85 SB-Fällen (54 pränatal, 31 postnatal) eine eindeutigere SB-Klassifikation zu erarbeiten. Der häufigste SB-Subtyp in unserer Kohorte war Myeloschisis (n = 28; 32,9 %), gekennzeichnet durch eine offene Neuralplatte mit exponiertem Ependym. Von diesen Fällen zeigten mehr als drei Viertel einen alleinigen Defekt der unteren Wirbelsäule. Weitere 21 Fälle (24,7 %) hatten eine Myelomeningozele, 2 Fälle (2,4 %) eine Meningozele und 21 Fälle (24,7 %) einen nicht näher bestimmbaren SBA-Subtyp. Eine SB occulta (SBO) war nur bei 6 Fällen (7,1 %) vorhanden. Der im Neuropathologie-Bericht angegebene SB-Phänotyp wurde in etwa einem Drittel der Fälle korrigiert; nur in zwei Dritteln der Myeloschisis-Fälle wurde die offene Neuralplatte im ursprünglichen Befund beschrieben. Die Prävalenz von Gehirnfehlbildungen wie Hydrozephalus und Chiari-II-Malformation (CM) ist unter SB- Patient*innen hoch und prognosebestimmend. Daher werteten wir diese Befunde im zweiten Teil der Arbeit aus. 83,5 % der SBA-Fälle zeigten Gehirnfehlbildungen, insbesondere Hydrozephalus (67,1 %), CM (34,2 %), Heterotopien (30,4 %) und Gyrierungsstörungen (29,1 %). Diese Auffälligkeiten traten bereits in der 16. – 19. Schwangerschaftswoche auf. Fälle mit SBO zeigten keinerlei Gehirnfehlbildungen. Die Wahrscheinlichkeit für einen Hydrozephalus in der Gruppe mit Myelomeningozele war im Vergleich mit den restlichen SBA-Fällen 4-mal höher, für CM fast 7-mal. Bei Myeloschisis-Fällen lag die Wahrscheinlichkeit für CM bzw. Gyrierungsstörungen jeweils nur bei einem Fünftel. Dies steht im Kontrast mit der Literatur, da beschrieben ist, dass Phänotypen mit radiologisch diagnostizierter Zele seltener von Gehirnfehlbildungen betroffen sind als Subtypen ohne Zele. Daher kann vermutet werden, dass der histologische Phänotyp etwas anderes beschreibt als das reine Fehlen einer Zele. Zusammenfassend schlagen wir basierend auf unserer Auswertung eine Klassifikation der SB-Subtypen in SBO und die drei SBA-Subtypen Meningozele, Myelomeningozele und Myeloschisis vor. Es konnte gezeigt werden, dass Myelomeningozele und SBA nicht als synonyme Begriffe verwendet werden dürfen und dass Myeloschisis ein unterdiagnostizierter SB-Phänotyp ist. Wie häufig Gehirnfehlbildungen bei neuropathologisch diagnostizierter Myeloschisis sind, müssen weitere Studien mit durchgängiger Verwendung der neu etablierten SB-Subtypen analysieren.<br />Spina bifida (SB) is an umbrella term for various phenotypes characterized by a misclosure of the vertebral arches. Neuropathologic findings in SB cases are often reported using imprecise and overlapping terminology. In particular, the term myelomeningocele is used as a synonym for SB aperta (SBA) and for various subtypes – including those without a protruding cele. The myeloschisis phenotype with presence of an open neural plate is only described in severely affected exceptional cases with additional anencephaly. The aim of the work was to develop a clear SB classification based on a retrospective study with 85 SB cases (54 prenatal, 31 postnatal). The most common SB subtype in our cohort was myeloschisis (n = 28; 32.9 %) characterized by an open neural plate with exposed ependyma. Of these cases, more than three-quarters showed a singular defect of the lower spine. In addition, 21 cases (24.7 %) had myelomeningocele, 2 cases (2.4 %) meningocele and 21 cases (24.7 %) had an SBA subtype that could not be further determined from the available material. SB occulta (SBO) was only present in 6 cases (7.1 %). The SB phenotype was corrected in about a third of the cases in comparison to the primary neuropathological reports; only in two-thirds of the myeloschisis cases, the open neural plate was described in the original report. The prevalence of brain malformations such as hydrocephalus and Chiari II malformation (CM) is high among SB patients and is of prognostic value. Therefore, we evaluated these findings in the second part of the study. 83.5 % of SBA cases presented brain malformations, specifically hydrocephalus (67.1 %), CM (34.2 %), heterotopias (30.4 %), and gyrification disorders (29.1 %). These malformations already occurred in gestational weeks 16 to 19. Cases with SBO did not show any brain malformations. The probability of hydrocephalus in the group with myelomeningocele was 4 times higher compared with the rest of the SBA cases, for CM almost 7 times. For myeloschisis, the likelihood of CM and gyration disorders was only one-fifth respectively. This is in contrast to the literature, as it is described that phenotypes with radiologically diagnosed cele are less frequently affected by brain malformations than subtypes without a cele. It can therefore be assumed that the histological phenotype describes something else than the mere absence of a cele. In summary, based on our analysis, we proposed a classification of the SB subtypes into SBO and the three SBA subtypes meningocele, myelomeningocele, and myeloschisis. It could be shown that myelomeningocele and SBA should not be used as synonymous terms and that myeloschisis is an underdiagnosed SB phenotype. Further studies with consistent use of the newly established SB subtypes must analyze how common brain malformations are in neuropathologically diagnosed myeloschisis.

Details

Database :
OpenAIRE
Accession number :
edsair.doi.dedup.....aee66962f642e08307e3c11787b2d083
Full Text :
https://doi.org/10.17169/refubium-38993