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Wortstellungsvariation im Deutschen: Psycholinguistische Untersuchungen zur Relativsatzposition
- Publication Year :
- 2014
- Publisher :
- Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Germanistik und Kunstwissenschaften, 2014.
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Abstract
- Word order variation is a typical phenomenon in German language. Especially the extraposition of relative clauses is frequently used. In this case the relative clause does not follow directly the noun that it specifies but is located after the verb at the end of the clause. It is a grammatically correct process in German but what makes the decision for or against extraposition? The most discussed factors in the past concerned rather the grammatical structure as the length of relative clause or the distance of extraposition, or the information structure as the focus of the noun or the relative clause. But empirical evidence mostly derives from offline measures as corpus analyses or acceptability judgements. Online studies, that can show the influence of the factors during the processing of the critical structure do almost not exist or give rise to different results and interpretations. This is where the present thesis starts. In three ERP-studies I investigated the influence and the interaction of the most frequently discussed factors relative clause length, extraposition distance and focus on the processing of German relative clauses in their different positions and completed the list of possible factors by another one, namely the grammatical function of the head noun. The first part of the thesis gives an extensive overview of the grammatical description of extraposed relative clauses and the psycholinguistic discussion of influence factors. It follows a detailed method chapter with the illustration of EEG-Data analysis by frequency based analyses and event-related potentials (ERP) and a review of previous relevant studies. The second part of the thesis finally describes the three ERP-experiments of the present study, including the acceptability judgements of these experiments and two additional behavioural experiments. Beginning with the acceptability data, previous studies could been completed with new findings: Concerning the well-known factors relative clause length and extraposition distance the grammatical function of the head noun also playes a significant role. If the relative clause refers to the subject it is the extraposition distance that critically influences the acceptability judgements. With a relative clause related to the object the influence of the extraposition distance decreases. The crucial factor then is the relation between distance and relative clause length. Further evidence came from the EEG-Data that gave a more concrete impression: First of all there was a clear distance effect for the long extraposition distance that arose for both subject and object head noun as a N400 located at the relative pronoun and the relative clause verb. The difference between the grammatical function of the head noun only appeared in a late positivity that additionally showed up at the relative clause verb for a long distance to the subject head noun. Also only for a subject head noun an influence of information structure on extraposed relative clauses could be indicated in the experimental design of the present study. But this influence was only existent as long as no other, stronger information structural influences appeared as in case of object scrambling. An effect of information structure was shown in an early N400 on the relative clause verb for an unfocused, given subject whereas a focused new subject let disappear the late positivity on the relative clause verb in the long extraposition distance condition. As a functional explanation of the observed negativities I proposed difficulties in relative clause integration at the moments of retrieval of the head noun whose activation level is reduced by the long extraposition distance or for an unfocused, given noun, that is therefore less salient. This influence of extraposition distance and information structure is initially independent. Only at the evaluation of the whole structure with the integrated relative clause all influence factors interact including the grammatical function of the head noun. This is shown in the differential appearance of the P600 according to the subject head noun. The studies show that the variation of relative clause position in German depends on more than one factor alone. It is the result of an interaction of several factors.<br />Das Deutsche erlaubt eine Reihe von Wortstellungsvariationen. So wird zum Beispiel ein nomenbezogener Relativsatz häufig erst am Satzende nach dem Verb realisiert, statt direkt auf das Nomen, welches er spezifiziert, zu folgen. Man spricht im ersten Fall von Distanzstellung oder Extraposition des Relativsatzes, im zweiten Fall von dessen Kontaktstellung oder Adjazenz. Doch wodurch wird die Wahl der Relativsatzposition bestimmt? In der Vergangenheit wurde eine Vielzahl von Faktoren diskutiert, wobei man sich mit der Relativsatzlänge und der Extrapositionsdistanz entweder stärker auf strukturelle Faktoren konzentrierte oder mit dem Informationsstatus des Nomens oder des Relativsatzes diskurspragmatische Faktoren in den Vordergrund hob. Sofern empirische Daten herangezogen wurden, stammten diese fast ausschließlich aus Akzeptabilitäts- und Korpusstudien, also sogenannten Offline-Messungen. Online-Messungen, die den Einfluss dieser Faktoren während der Verarbeitung der kritischen Satzstrukturen abbilden, existieren jedoch kaum oder kommen zu gegensätzlichen Ergebnissen. Hier setzt die vorliegende Arbeit an. Sie versucht in einer Reihe von EKP-Studien den Einfluss und das Zusammenspiel der am häufigsten genannten Faktoren Relativsatzlänge, Extrapositionsdistanz und Fokus auf die Verarbeitung von Relativsätzen in ihren beiden Stellungsvarianten darzustellen, ergänzt durch einen weiteren, bisher eher unbeachteten Faktor - der grammatischen Funktion des Bezugsnomens. Der erste Teil der Arbeit gibt zunächst einen umfassenden theoretischen Überblick über das Phänomen der Relativsatzextraposition, sowohl hinsichtlich seiner grammatischen Beschreibung als auch aus der Verarbeitungsperspektive. Es schließt sich eine ausführlichere Methodenbeschreibung an, in der Frequenzanalysen und ereigniskorrelierte Potenziale (EKP) als Auswertungsmethoden von EEG-Daten erläutert und ein Überblick relevanter Ergebnisse bisheriger Studien aufgeführt werden. Im experimentellen Teil dieser Arbeit erfolgt schließlich die Darstellung der drei durchgeführten EKP-Studien, inklusive der parallel erhobenen Akzeptabilitätsbewertungen. Diese wurden durch zwei zusätzliche Akzeptabilitätsstudien ergänzt. Bereits die Ergebnisse der Akzeptabilitätsbewertungen brachten gegenüber den bestehenden Studien neue Erkenntnisse. So zeigte sich bezüglich des Einflusses der Faktoren Relativsatzlänge und Extrapositionsdistanz, dass eine Abhängigkeit zur grammatischen Funktion des Bezugsnomens besteht: Bezieht sich der Relativsatz auf das Subjekt, ist die Extrapositionsdistanz für die Bewertung der extraponierten Relativsatzposition entscheidend. Wird der Relativsatz jedoch an das Objekt angebunden, nimmt der Einfluss der Extrapositionsdistanz ab und es wird das Verhältnis zwischen Extrapositionsdistanz und Relativsatzlänge entscheidend. Die EEG-Messungen konnten dieses Bild weiter konkretisieren. Der Einfluss der Extrapositionsdistanz wurde zunächst unabhängig von der grammatischen Funktion in Form einer N400 auf dem eindeutig markierten Relativpronomen und dem Relativsatzverb für eine lange Extrapositionsdistanz des Relativsatzes sichtbar. Der in den Akzeptabilitätsbewertungen beobachtete Unterschied bezüglich der grammatischen Funktion des Bezugsnomens wurde erst in einer späten Positivierung auf dem Relativsatzverb sichtbar. Sie zeigte sich nur für eine lange Subjektanbindung zusätzlich zur N400. Ein Einfluss des Informationsstatusses des Bezugsnomens konnte in diesem Experimentdesign ebenfalls nur für die Subjektanbindung eines extraponierten Relativsatzes nachgewiesen werden, allerdings nur, solange keine stärkeren informationsstrukturellen Einflüsse hinzu traten, wie es bei einer veränderten Argumentabfolge durch Scrambling der Fall ist. Er zeigte sich in Form einer frühen N400 auf dem Relativsatzverb wenn das Bezugsnomen nicht neu, sondern vorerwähnt war, unabhängig von der Extrapositionsdistanz, und führte zum Ausbleiben der späten Positivierung bei großer Extrapositionsdistanz bei einem fokussierten, neuen Bezugsnomen. Als funktionale Erklärung der Negativierungen wurde eine erschwerte Reaktivierung des Bezugsnomens bei der Integration des Relativsatzes vorgeschlagen, die durch die große Entfernung zum Bezugsnomen entsteht (Extrapositionsdistanz) oder durch die geringere Salienz eines vorerwähnten Nomens (Informationsstatus). Beide Faktoren sind zunächst unabhängig voneinander wirksam. Erst in einem weiteren Verarbeitungsschritt, in dem die Gesamtstruktur, also die erfolgte Integration des Relativsatzes evaluiert wird, fließen alle Faktoren zusammen. Die Bewertung der Gesamtstruktur erfolgt nun in Abhängigkeit von der grammatischen Funktion des Bezugsnomens, was das differenzierte Auftreten der P600 für die lange Subjektanbindung zeigt. Die Stellungsvariation von Relativsätzen lässt sich folglich nicht an einem einzigen Faktor festmachen. Vielmehr handelt es sich um ein komplexes Wechselspiel mehrerer Faktoren.
Details
- Language :
- German
- Database :
- OpenAIRE
- Accession number :
- edsair.doi.dedup.....ad94f58d8e747ba10a3bc1db0eedb55d