Back to Search Start Over

Zukunftsfähige Lernraumgestaltung im digitalen Zeitalter. Thesen und Empfehlungen der Ad-hoc Arbeitsgruppe Lernarchitekturen des Hochschulforum Digitalisierung

Authors :
Günther, Dorit
Kirschbaum, Marc
Kruse, Rolf
Ladwig, Tina
Prill, Anne
Stang, Richard
Wertz, Inka
Publication Year :
2019
Publisher :
Zenodo, 2019.

Abstract

Digitaler Wandel und Hochschulentwicklung Das gesellschaftliche Leben, in hohem Maße durch technologische Entwicklungen geprägt, ist aktuell einem rasanten Wandel unterworfen, der das komplette wirtschaftliche, kulturelle und politische System “transformiert”. Für die Rolle der Hochschulen ist dies insbesondere auf zwei Ebenen bedeutsam: Zum einen auf die sich verändernde Arbeits- und Lebenswelt mit entsprechenden Bildungsangeboten zu reagieren und zum anderen als Bildungsexperte selbst relevante zukunftsfähige Bildungsstandards und Kompetenzziele zu definieren und somit diese Transformation mitzugestalten. Neben grundständigen Bildungsangeboten müssen sich Hochschulen zu Lernumgebungen im Kontext des Lebenslangen Lernens entwickeln und auch im Bereich der kontinuierlichen Weiterbildung Lernenden zur Verfügung stehen. Konkreter bedeutet dies zum Beispiel, Studierende – egal ob grundständig oder weiterbildend – für Berufsbilder zu befähigen, die sich stetig wandeln oder womöglich noch gar nicht existieren. Dafür benötigen sie bestimmte Kompetenzen, um in einer “Welt von morgen” bestehen zu können. Diese Fähigkeiten, in komplexen Problemsituationen einer ungewissen Zukunft erfolgreich zu agieren, werden als Future Skills bzw. 21st Century Skills beschrieben. Zu diesem Modell zählen – neben den weiterhin wichtigen fachlichen Kompetenzen – vor allem überfachliche Kompetenzen wie kreatives Problemlösen, analytisches und kritisches Denken oder virtuelle und persönliche Kommunikation und Kollaboration. Zur Entwicklung dieser Kompetenzen, mit den dafür geeigneten Lehr-Lern- Formaten, braucht es physisch wie virtuell entsprechende Lernräume, die integrativ funktionieren. Dabei geht es nicht vordergründig darum, vorhandene Lernräume in Hochschulen medial und modern auszustatten. Es geht vielmehr darum, die Lernarchitektur zunächst ganzheitlich strategisch auf Grundlage pädagogischer Anforderungen zu konzipieren und darauf aufbauend, die Lehr- und Lernräume in der Praxis so auszugestalten, dass für Lernprozesse ein Mehrwert entsteht. Zukunftsfähige Lehr- und Lernraumgestaltung verzahnt Didaktik, Raum und Hochschulorganisation. Zielstellung und Adressierte Die Ad-hoc Arbeitsgruppe Lernarchitekturen des Hochschulforum Digitalisierung wurde im Juli 2018 für die Dauer eines Jahres bis Juli 2019 initiiert. Ziel der Arbeitsgruppe war es, Gestaltungsdimensionen zur Lernraumentwicklung vor dem Hintergrund des digitalen Wandels zu identifizieren sowie praktische Umsetzungsansätze darzustellen. Dafür haben die Arbeitsgruppenmitglieder eine Reihe von Diskussionspunkten und Empfehlungen erarbeitet, die Hochschulen nutzen können, um sich das Thema der zukunftsfähigen (physischen und virtuellen) Lernraumgestaltung als strategisches Handlungsfeld zu erschließen. Insbesondere sind Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger aus dem Hochschulmanagementbereich adressiert, die in die strategische Entwicklung ihrer Hochschule involviert sind. Das schließt Hochschulleitungen, Didaktikbeauftragte, IT- sowie Infrastruktur-Verantwortliche mit ein. Ebenso wichtig sind dabei auch Lehrende, die ihre fachlichen und didaktischen Kompetenzen in dieEntwicklung und Umsetzung (mediengestützter) Lehr-Lern-Szenarien einbringen, wobei auch die Studierenden als Mitgestaltende in diese Prozesse integriert und wertgeschätzt werden. 1.3 Zentrale Fragestellung und Struktur Die Expertisen der Arbeitsgruppenmitglieder umfassen Erfahrung und Wissen aus Forschung, (Medien-)Pädagogik, Flächenplanung, Architektur sowie Informatik. Vor diesem Hintergrund hat sich die interdisziplinäre Ad-hoc Arbeitsgruppe Lernarchitekturen mit der zentralen Herausforderung auseinandergesetzt, unter welchen Gesichtspunkten zukunftsfähige Lernraumgestaltung betrachtet werden muss. Das schließt insbesondere die Möglichkeiten der Digitalisierung, neue sich etablierender Lehr- und Lernformate sowie die veränderte Rolle der Hochschule als Umgebung Lebenslangen Lernens ein. Die Beantwortung dieser Herausforderung wurde daher über drei thematische Betrachtungsperspektiven verfolgt. Zunächst wird die Lernraumgestaltung in Beziehung zur strategischen Organisationsentwicklung gesetzt, um eine ganzheitliche Perspektive zu verdeutlichen. Da zukunftsfähige Lernraumgestaltung vor allem auch mit zukunftsorientierter Lehre und Lernen zu tun hat, wird auch dieser Zusammenhang näher diskutiert. Eine, zum jeweiligen Hochschulprofil passende, Lernraumgestaltung ist so individuell wie jede Hochschule. Daher werden zuletzt übergreifende Gestaltungsdimensionen betrachtet, um zukunftsfähige Lernräume zu entwickeln. Aus dieser Herleitung ergeben sich folgende drei thematische Thesenblöcke: I. Gestaltung von Lernarchitekturen – eine organisationale Perspektive II. Zukunftsorientiertes Lehren und Lernen III. Dimensionen zukunftsfähiger Lernraumgestaltung Der thematische Zugang über diese drei Thesenblöcke soll die Reichweite und die verschiedenen Perspektiven verdeutlichen, die für eine strategische Lernarchitektur sowie konkrete Entscheidungen nötig sind. Die Arbeitsgruppe hat dafür zahlreiche Trendreports und -analysen zu Entwicklungen des Hochschulsystems und der Hochschulorganisation insgesamt sowie zu Schlüsseltrends wichtiger Lehr-/Lerntechnologien aufgegriffen. Wichtige Erkenntnisse daraus wurden neu gebündelt und, fokussiert auf das Thema der zukunftsfähigen Lernraumgestaltung, kombiniert mit konkreten Umsetzungsempfehlungen für die Praxis, aufbereitet. Jede Einzelthese innerhalb der Thesenblöcke ist strukturell identisch aufgebaut: Zunächst wird die Relevanz und der Mehrwert der Überlegung erläutert und dann um konkrete Handlungsempfehlungen sowie Hauptakteure ergänzt. Jeder Thesenblock enthält zudem Verweise und Erläuterungen zu Good- Practice-Ansätzen. Die gesammelten Literaturempfehlungen werden am Ende des Dokuments thematisch in den drei Kategorien Trendreports, Zukunftskompetenzen und Lernarchitekturen und Didaktik zur Verfügung gestellt. 1.4 Begriffsverwendungen Um ein einheitliches Verständnis in Bezug auf die Verwendung von Begrifflichkeiten in diesem Arbeitspapier zu gewährleisten, werden im Folgenden die Begriffe Lernarchitektur, Lernraumgestaltung, Lernraum sowie Lernumgebung kompakt erläutert. Lernarchitektur wird hier als theoretischer Überbegriff verwendet, der die Wechselbeziehung von Architektur und Pädagogik – oder auch pädagogischer Architektur – erklärt. D.h. die bauliche Umsetzung erfolgt auf Grundlage pädagogischer Prinzipien. Die Architektur passt sich der Pädagogik an – nicht umgekehrt. Somit kann Pädagogik Räume aktiv in Lernpozesse einbeziehen und sie lernbedarfsorientiert gestalten (vgl. Holzbrecher, 2012). Lernarchitektur unterstützt pädagogische Prinzipien, indem sie zunächst weitestgehend nutzungsneutral ist, Kreativität fördert und ermöglicht sowie Wertschätzung für die Nutzenden ausdrückt. Lernraumgestaltung wird hier als Unterbegriff der Lernarchitektur verwendet und drückt vor allem die praktische Umsetzung und Ausgestaltung von Lernräumen nach pädagogischen Prinzipien aus. Lernraum wird begrifflich als physischer oder virtueller (Handlungs-)Raum verwendet, der eine soziale Dimension beinhaltet. Ein Lernraum stellt nicht nur einen lokalisierbaren physischen Ort dar, der einfach existiert, sondern entsteht in Abhängigkeit der Wahrnehmung und des Handelns von Menschen, also der Lernenden und Lehrenden (vgl. Löw, 2001). Lernumgebung erweitert die Bezeichnung eines fixierbaren Lernortes um variable Situationen, in denen – auch mit anderen Lernenden – gelernt wird. Da der Begriff des Lernortes häufig zu sehr auf einen lokalisierbaren physischen Ort beschränkt Verwendung findet, wird hier der Begriff der Lernumgebung genutzt, da jeder Ort ein Ort des Lernens sein kann (vgl. Nuissl, 2006). Analog und digital beschreiben unterschiedliche Technologiebereiche. Dabei sind digitale Technologien durch die Verwendung digital gesteuerter Hardware wie u.a. Computer, Monitore, Datennetzwerke, Roboter und durch Methoden der Informatik entwickelte Software wie Betriebssysteme und Anwendungen, aber auch Verfahren wie Künstliche Intelligenz und Bilderkennung geprägt. Analoge Technologien sind - in diesem Rahmen - alle nicht-digitalen, z.B. im Handwerk, beim Zeichnen und beim Bauen, aber z.B. auch in der Optik verwendeten Technologien. Real steht in einem engen Bezug zu physisch, da wir Objekte, die wir mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen - insbesondere anfassen (haptisch) oder spüren (taktil) können - eher als wahr, echt, authentisch und verlässlich ansehen. Durch ihre Physis und Masse erwarten wir von realen Objekten aus dem Alltag bekannte Eigenschaften wie Ortsgebundenheit, Trägheit und damit verbunden Kontinuität. Virtuell sind Dinge, die immateriell und daher für Menschen manuell nicht greifbar sind. Das gilt bisher für alle Präsentationen digitaler Daten, da keine praxistauglichen Technologien zur Simulation von Masse, Haptik usw. existieren. Allgemeiner betrachtet sind auch bewusste und unbewusste (mentale) Vorstellungen, also Gedanken und Träume virtuell. Durch die Immaterialität können im Virtuellen “magische“ Dinge geschehen, die in der Realität nicht möglich sind, wie das plötzliche Auftauchen und Verschwinden. Virtuelle Realität (Virtual Reality, VR) beschreibt das Konzept, mit Technik eine virtuelle Umgebung zu schaffen, die ein Mensch mit allen seinen Sinnen erlebt (immersiv, multimedial) und als glaubwürdig - also in der Realität denkbar - empfindet. Er kann in ihr wie in einer realen Umgebung handeln (verzögerungsfrei, d.h. in Echtzeit, dynamisch, interaktiv). Bis zu einer umfassenden Umsetzung dieses Konzepts sind noch viele technologische Entwicklungen erforderlich. Erweiterte Realität (Augmented Reality, AR) definiert ein verwandtes Konzept, bei dem eine physische Umgebung mit Darstellungen, die aus digitalen Daten erzeugt werden, überlagert wird. Da die Grenzen zwischen VR und AR fließend sind, werden diese Technologien auch zusammenfassend als Mixed Reality (MR oder XR) bezeichnet.

Details

Database :
OpenAIRE
Accession number :
edsair.doi.dedup.....5dfc58418b07e9e3250e93282fbe3ccd
Full Text :
https://doi.org/10.5281/zenodo.3484678