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Bindungsbezogener Stress bei Patienten mit Reizdarmsyndrom und einer gesunden Kontrollgruppe

Authors :
Albrecht, Matthias
Waller, Christiane
Klaus, Jochen
Publication Year :
2020
Publisher :
Universität Ulm, 2020.

Abstract

Das Reizdarmsyndrom gilt als häufigste gastrointestinale Funktionsstörung weltweit und ist für die betroffenen Personen oftmals mit einer hohen Einschränkung der Lebensqualität verbunden. Trotz intensiver Forschung konnte die Pathophysiologie der Erkrankung bisher noch nicht vollständig geklärt werden. In dieser Studie wurde eine Gruppe von Reizdarmpatienten mithilfe von psychometrischen Fragebögen, Blutwerten und psychophysiologischen Daten untersucht und deren Veränderungen während zwei psychischen Stresssituationen dargestellt. Zum Vergleich diente eine gesunde Kontrollgruppe, die sich zum Untersuchungszeitpunkt einer diagnostischen Polypektomie unterzog. Ziel der Studie war die experimentelle Erhebung autonomer Stressreaktivität mithilfe der Herzfrequenzvariabilität (HRV) während eines bindungsbezogenen Stressparadigmas. Für die Studie wurden 20 Patienten (8 männlich, 12 weiblich) mit der Diagnose Reizdarmsyndrom ausgewählt. Die Kontrollgruppe bestand aus 21 Personen (10 männlich, 11 weiblich). Die Patienten bzw. Studienteilnehmer hatten am Untersuchungstag den Separation Recall (SR), einen bindungsbezogenen Stresstest, zu absolvieren. Dazu wurden sie aufgefordert, sich an eine emotional belastende Situation aus dem eigenen Leben zurück zu erinnern und darüber zu berichten. Darauf folgte ein mentaler arithmetischer Test. Hier musste eine schwierige Rechenaufgabe vor einem unbekannten Gremium gelöst werden. Während des Experiments wurde mittels Elektrokardiogramm (EKG) die HRV zur Quantifizierung der autonomen Stressreaktivität erhoben. Die Erfassung der Bindungsrepräsentanz erfolgte u.a. anhand des Fragebogens Experience in Close Relationships (ECR). Die allgemeine und situative Angst wurde mit dem State Trait Angst Inventar (STAI) gemessen. Außerdem wurden zu fünf Messzeitpunkten Blutproben entnommen und daraus verschiedene Parameter, wie z.B. das Stresshormon Cortisol bestimmt. Patienten mit Reizdarmsyndrom zeigten im Vergleich zur Kontrollgruppe eine erhöhte allgemeine Angst sowie bereits vor Beginn des Experiments eine signifikant erhöhte Zustands- bzw. Situationsangst. Zudem kam es zu einem signifikanten Anstieg der situativen Angst bei Reizdarmpatienten als Folge der Stresssituation im Vergleich zur Kontrollgruppe. In der Bindungsrepräsentation anhand des ECR ergaben sich in der Gruppe der Reizdarmpatienten im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant erhöhte Werte in der bindungsbezogenen Angst. In den laborchemischen Erhebungen zeigten Reizdarmpatienten signifikant erhöhte Basalwerte des Stresshormons Cortisol, wobei keine signifikanten Interaktionseffekte zwischen beiden Gruppen im zeitlichen Verlauf auftraten. In der Erhebung der Parasympathikusaktivität, gemessen anhand des HRV-Wertes „Root Mean Square of Successive Differences (RMSSD)“, zeigte sich zwischen den beiden Gruppen während des SR ein marginal signifikanter Interaktionseffekt. Bei Reizdarmpatienten kam es zu einem Anstieg, wogegen sich in der gesunden Kontrollgruppe ein Abfall der Aktivität zeigte. Die bei Reizdarmpatienten gemessene vermehrte situative, allgemeine und bindungsbezogene Angstsymptomatik scheint in direktem Zusammenhang zu stehen mit einer erhöhten isoliert während des SR auftretenden Aktivierung des Parasympathikotonus. Dies könnte auf eine eingeschränkte Anpassung der parasympathischen Reaktivität bei Reizdarmpatienten unter bindungsbezogenen Stresssituationen hindeuten und einen Hinweis darauf geben, dass vor allem der Parasympathikus eine bedeutsame Rolle in diesem Kontext spielt. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um eine bessere Vergleichbarkeit von emotionalen und mentalen Stresstests aufzuzeigen, beispielsweise durch genauere Unterscheidung in Geschlecht und Subgruppen des Reizdarmsyndroms.

Details

Language :
German
Database :
OpenAIRE
Accession number :
edsair.doi.dedup.....198a8d6c06e2c5aed2c7e6fff3f2c5f8