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Klinische Aspekte bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Tourette Syndrom und chronischen Tic-Störungen: Eine retrospektive Datenanalyse mit anschließender prospektiver Untersuchung
- Publication Year :
- 2018
- Publisher :
- Universität Ulm, 2018.
-
Abstract
- Das Tourette Syndrom (TS) ist eine neuropsychiatrische Störung, deren klinische Hauptmerkmale motorische Tics und mindestens ein vokaler Tic sind. Neuropsychologische und emotionale Auffälligkeiten werden am ehesten den häufigen Komorbiditäten wie Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS), Zwangs- und Angststörungen und affektiven Störungen zugerechnet. Schon früh konnte durch Zwillingsstudien eine genetische Komponente des TS gezeigt werden. Diese zeigten keine 100%ige Konkordanz. Somit muss man von einer koexisitierenden, epigenetischen Komponente ausgehen. In mehreren Studien wurden prä- und perinatale Risikofaktoren als Auslöser des Tourette Syndroms diskutiert. Diese Ergebnisse ermöglichen allerdings keine Aussage über das Outcome des Tourette Syndroms im Erwachsenenalter. Diese Studie zielt u.a. darauf ab, Prädiktoren für das Outcome von TS-Patienten im Erwachsenenalter zu definieren. Wir beschäftigten uns vor allem mit den motorischen Defiziten im Kindesalter und der Frage ob diese positiv mit dem Ticschweregrad im Erwachsenenalter korrelieren und ob TS Patienten häufiger motorische Defizite als gesunde, altersgematchte Kontrollen aufweisen. Zudem wollten wir die Hypothese, ob TS Patienten im Erwachsenenalter vermehrt Verhaltensauffälligkeiten, emotionale Probleme und somatische Beschwerden aufweisen als gesunde Kontrollprobanden, diskutieren. Es wurden retrospektiv die Daten von 96 Kindern und Jugendlichen mit TS (84 Jungen, 12 Mädchen) und 80 Kindern und Jugendlichen (72 Jungen, 8 Mädchen) mit chronischen Tic-Störungen erfasst (89,04 % chronisch motorische Tic-Störung und 10,95% chronisch vokale Tic-Störung) die in den Jahren 2002-2012 in der Institutsambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Ulm behandelt worden waren. Es wurden die körperlichen Untersuchungsbefunde ausgewertet, so wie sie in der klinisch-neurologischen Routinediagnostik erhoben worden waren. Prospektiv wurden 25 junge Erwachene (15 mit Tourette Syndrom, 10 mit chronischer Tic-Störung) im Alter von 16-28 Jahren (Durchschnittsalter 20,23 Jahre) aus diesem retrospektiven Datensatz nachuntersucht und mit 23 gesunden, gleichaltrigen Kontrollprobanden (Durchschnittsalter 20,56 Jahre) verglichen. Bei der Nachuntersuchung wurden mehrere psychologische Tests durchgeführt: Yale Global Tic Severity Score (YGTSS), Gilles-de-la-Tourette-Quality-of-Life-Fragebogen (GTS-QoL), Premonitory Urge for Tic Scale (PUTS), Child Behaviour Checklist (CBCL), Diagnostic System for psychiatric disorders in childhood and adolescence (Dysips) für die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivität-Störung (ADHS), ADHS Screening für Erwachsene (ASRS-V1.1), Wender Utah Rating Scale for ADHS (WURS ADHS), Young Adult Self Report (YSR), strukturiertes klinisches Interview zur Erfassung von Persönlichkeitsstörungen (SKID II) und 3 Untertests des Wechsler Intelligenztests für Erwachsene. Die Feinmotorik und Koordination untersuchten wir anhand des physical and neurological examination of soft signs Fragebogen (PANESS), des Purdue Pegboards und einer neurologischen Routineuntersuchung. Von 96 Kindern und Jugendlichen mit Tourette Syndrom (TS) zeigten in der neurologischen Untersuchung 30 Patienten (31%) motorische Auffälligkeiten. Bei den 80 Patienten mit chronischen Tic-Störungen wiesen 24 (30%) motorische Defizite auf. 41,46 % der Patienten mit chronischer Tic-Störung und komorbider ADHS wiesen ein motorisches Defizit auf, bei Patienten mit alleiniger chronischer Tic-Störung ohne ADHS waren es nur 17,95%. Dieser Unterschied ist statistisch signifikant. Zwischen TS-Patienten mit komorbider ADHS und Patienten mit alleinigem TS zeigte sich kein signifikanter Unterschied bezüglich der Häufigkeit motorischer Defizite. Die Hypothese, dass motorische Defizite in der Kindheit mit dem Outcome des Ticschweregrades im Erwachsenenalter positiv korrelieren, konnten wir nicht statistisch belegen. Allerdings konnten wir Tendenzen in diese Richtung aufzeigen. Wir konnten im prospektiven Teil mittels Purdue Pegboard statistisch belegen, dass erwachsene TS-Patienten gesunden Kontrollprobanden in der feinmotorischen Testung bei Gebrauch der rechten Hand unterlegen waren. Wir fanden, dass die Eltern von TS Patienten in der Child-Behaviour-Checklist (CBCL) signifikant häufiger den notwendigen Cut-Off-Wert erreichten, als Eltern von gesunden, gematchten Kontrollprobanden. In unserer Studienpopulation fanden wir ausserdem eine positive Korrelation zwischen Ticschweregrad, errechnet mittels YGTSS, und dem Gesamt T-Wert sowie dem internalisierenden T-Wert des CBCL. Erfreulicherweise konnten wir keinen signifikanten Unterschied zwischen der Lebenszufriedenheit der TS Patienten verglichen mit gleichaltrigen gesunden Kontrollprobanden feststellen. Es sind umfangreichere Studien notwendig, um die Einflussfaktoren, die für das Outcome des Tourette Syndroms im Erwachsenenalter verantwortlich sind, zu identifizieren. Diese Erkenntnisse können die Versorgung und die Behandlung von TS Patienten deutlich verbessern.
Details
- Language :
- German
- Database :
- OpenAIRE
- Accession number :
- edsair.doi.dedup.....1444a7dbbaca82c61de5d4a861c57a5d