Nation, ethnische Gruppen, Minderheiten

Wenn man ein vor Jahrzehnten geschriebenes Lehrbuch der Soziologie, besonders ein amerikanisches, in die Hand nimmt, findet man darin immer ein ausfuhrliches Kapitel uber soziologische Aspekte der Rasse. In diesen Kapiteln werden meist ethnische Minderheiten behandelt, Nation und nationale Minderheiten dagegen kaum erwahnt. Hinter der Vernachlassigung soziologischer Aspekte der Nation verbirgt sich einerseits die These der marxistischen Soziologie, die Nation sei eine geschichtliche Kategorie, welche fur die kapitalistische Gesellschaft spezifisch ist und in der Zukunft, besonders im Sozialismus, verschwinden wird, weil die Arbeiter und Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft Internationalisten sind. Andererseits herrschte auch in der amerikanischen Soziologie lange Zeit die Auffassung, Nation und Nationalgefuhl seien mehr oder weniger veraltete Begriffe. Der Weltmarkt vermindere die nationalen Gegensatze, und moderne Gesellschaften, besonders die amerikanische, funktionierten als eine Art „Schmelztiegel“ und vereinheitlichten die national, kulturell oder ethnisch verschiedenen Mitglieder der Gesellschaft. Dabei erkannten einige amerikanische Soziologen, das eine solche Homogenisierung der Mitglieder verschiedener Rassen im „Schmelztiegel“ nicht so einfach vonstatten geht.