Gemini-Tenside

Es fällt nicht schwer, über die langweilige Stoffklasse der Tenside hinwegzusehen, denn schließlich sticht deren Struktur nach heutigen Maßstäben nicht sonderlich ins Auge. Darüber hinaus sind Tensidmoleküle bereits seit Jahrzehnten in so vielen Wirtschaftsbereichen verankert, dass ihre Chemie veraltert und ausgeschöpft erscheinen mag. Dieser Aufsatz hat das Anliegen, den Leser vom Gegenteil zu überzeugen, indem er sich auf eine bemerkenswerte, neuartige Klasse von Tensiden, die Gemini-Tenside, konzentriert. Gemini-Tenside, so die allgemeine Bezeichnung für “Bis-Tenside“, können sich bei Konzentrationen von nahezu einem Hundertstel der Konzentration entsprechender herkömmlicher Tenside selbstorganisieren. Die Oberflächenaktivität kann um das Tausendfache verbessert werden. Gemini-Tenside haben bereits bei der Hautpflege, bei antibakteriellen Präparaten, beim Aufbau hochporöser Materialien, bei analytischen Trennungen und bei Solubilisierungsprozessen Anlass zu großen Hoffnungen gegeben. In den vergangenen Jahren ist eine große Zahl von Patenten erschienen, die sich mit Gemini-Tensiden befassen. Nach Meinung einiger könnte sich sehr wohl herausstellen, dass Gemini-Tenside für “Otto Normalverbraucher“ nützlicher sind als Kronenether oder Fullerene. Dieser Aufsatz befasst sich mit der Synthese, der kritischen Micellenbildungskonzentration sowie der Aggregationsgröße und -form von Gemini-Tensiden sowie mit Gemini-Tensid-Gelen, -Vesikeln und -Filmen. Das zusammengetragene Wissen stammt von Forschern aus der ganzen Welt; man könnte demzufolge sagen, die Gemini-Forschung ist eine Gebiet, “in dem die Sonne nicht untergeht“. In diesem Aufsatz werden keine Vorkenntnisse auf dem Gebiet der Kolloidchemie vorausgesetzt.