Ausgehend von den aufgeregten Reaktionen auf Michael Rothbergs deutsche Übersetzung von Multi-directional Memory: Remembering the Holocaust in the Age of Decolonization im Jahr 2021, zwölf Jahre nach der Veröffentlichung des Originals, untersucht dieses Arbeitspapier die Debatte in Deutschland aus der spezifischen Perspektive von Migrant*innen der zweiten und dritten Generation. Zunächst wird beleuchtet, dass der migrantische Teil der westdeutschen Gesellschaft nicht ausgenommen war von der sukzessiven Vergegenwärtigung der Menschheitsverbrechen des nationalsozialistischen Völkermords ab Ende der 1970 Jahre - eine Tatsache, die heute ignoriert wird. Anschließend wird die Frage gestellt, wie sich Garantien der Nichtwiederholung, ein wichtiger Grundsatz von Erinnerungsarbeit, in einem Land auswirken, das große Anstrengungen unternommen hat, um dem Vergessen der Verbrechen entgegenzuwirken und ein Lernen aus der Geschichte umzusetzen. Am Beispiel jüdischer Reaktionen auf die Ermordung der ägyptischen Apothekerin Marwa el-Sherbini in Dresden im Jahr 2009 entwickelt die Autorin die These, dass sich im Zuge der anhaltenden Gewalt in Deutschland (NSU, Halle, Hanau) muslimisch-jüdische Solidaritätsnetzwerke entwickeln. Diese Verbindungen sind derzeit - bewusst oder unbewusst - Ziel heftiger verbaler Angriffe. Man muss sich fragen, warum nicht-jüdische Deutsche bereit sind, Juden in Deutschland und deutsche Juden, die solche Empathie-Bande aufbauen, als "antisemitisch" zu charakterisieren? Die Autorin schlägt vor, die "hermeneutische Schikane", mit der auf Beiträge von Michael Rothberg und Susan Neiman im sogenannten Historikerstreit 2.0 reagiert wurde, im Kontext jüdisch-muslimischer Solidarität zu verstehen. Stellen Kolonialhistoriker, postkoloniale Theoretiker und Wissenschaftler der vergleichenden Völkermordforschung tatsächlich die Einzigartigkeit des Holocausts in Frage? Oder sind andere Motive im Spiel, die über Deutschland hinausweisen, um ihnen zu unterstellen, eine, Departing from the fierce reactions to the German translation of Michael Rothberg's Multi-directional Memory: Remembering the Holocaust in the Age of Decolonization, published in 2021, twelve years after the original first appeared, this working paper investigates the debate in Germany from a migrant second and third generation point of view. To start, the paper looks into the awakening of West German society to the atrocities of the Holocaust in the late 1970s, zooming in on its migrant counterpart that was not exempted from this learning process - a fact ignored today. The paper then asks how guarantees for non-repetition, an important cornerstone of commemoration as a means of preventing future persecution of minorities, plays out today in a country that has invested much effort into countering the forgetting of past carnages. Choosing the murder of the Egyptian pharmacist Marwa el-Sherbini in Dresden in 2009 as a decisive event in time, I put forward the thesis that Muslim-Jewish networks of solidarity have developed in the wake of ongoing anti-migrant violence (NSU, Halle, Hanau), are now, explicitly or implicitly, the target of fierce verbal attacks. One must ask why non-Jewish Germans are ready to revert to casting Jews in Germany and German Jews who pursue such linkages, as "Antisemites"? This paper proposes to come to an understanding of the "hermeneutical chicane" that authors like Michael Rothberg and Susan Neiman have been confronted with in the so-called Historikerstreit 2.0 in the frame of such Muslim-Jewish bonds. Are historians of colonialism, postcolonial theorists and scholars of comparative genocide studies indeed questioning the uniqueness of the Holocaust? Or are other motives at play that point beyond Germany, which insinuate that they allegedly seek to construct a competition of sorts among victims?