"Erkenntnisinteresse: Soziologische Studien über Patienten heterodoxer Heilverfahrengehen häufig von der (Hypo-)These aus, dass es sich bei diesen Patienten umaktive Konsumenten handelt. Diese These ist kompatibel mit der gesundheitspolitischen Forderung nach der Ausweitung von Patientenrechten. In einem DFG-finanzierten Projekt haben die Verfasser sich u.a. um die empirische Verifizierung der These vom activeconsumerism bemüht. Datenbasis: Der Mitarbeiter Dr. Robert Frank hat semistrukturierte Interviews mit 26 deutschen PatientInnen geführt, die Akupunktur oder Ayurveda nutzten. Die Interviews mit Akupunktur-Patienten fanden meist in Berlin statt, die mit Ayurveda-Patienten in mehreren deutschen Großstädten. - Wesentliche theoretische und methodische Aussagen: Wenngleich in unserer Studie nur zwei der 26 befragten Patienten asiatischer Medizin dem Konzept des aktiven Konsumenten entsprechen, finden wir durchaus Verbraucherhaltungen und - vor allem bei ayurvedischen Patienten - ein hohes Maß an Aktivität. Es ist vor allem diese Aktivität, die sie von Akupunktur-Patienten unterscheidet, die häufiger die Behandlung passiv geschehen lassen und die während der Nadelung einsetzende Entspannung genießen. Der stärkste Widerspruch zur Konsumententhese besteht im Informationsverhalten der Patienten asiatischer Medizin und dessen Konsequenzen für Entscheidungsmuster in der Konsultation. Von ihren Ärzten geführt zu werden, erscheint wichtiger als Autonomie in Gesundheitsfragen. Es gibt wenig Hinweise auf informierte oder gemeinsame Entscheidungsfindungsprozesse. Das zur Beschreibung adäquateste Modell scheint das von Parsons inspirierte paternalistische Konzept zu sein, da die Kontrolle über therapeutische Alternativen beim Arzt verbleibt. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, dass in anderen Settings asiatischer Medizin - etwa in Heilpraktiker-Behandlung oder bei stationären ayurvedischen Gesundheitszentren - andere Mustervorfindbar sind. Ausblick: Das Sample dieser Studie ist nicht repräsentativ - nicht nur in seiner Größe wegen, sondern auch, da die Vermittlung der Patienten durch die Ärzte zustande kam. Quantitative Erhebungen wären nützlich, um die relative Wichtigkeit, die heterodoxe Patienten den genannten Qualitätsvorstellungen in ihren Gesundheitsentscheidungen beimessen, einzuschätzen. Repräsentiert die vorliegende Studie Perspektiven und Verhaltensweisen, die für Patienten asiatischer Medizin oder für bestimmte Erkrankungen, bei denen Patienten häufig heterodoxe Medizin konsultieren, spezifisch sind? Sind die Unterschiede zwischen Akupunktur- und Ayurveda-Patienten auf ihre jeweiligen Versicherungsformen zurückzuführen? Fragen wie diese können durch das erhobene Datenmaterial nicht beantwortet werden und bedürfen weiterer vergleichender Studien." (Autorenreferat)