Sp��testens seit Gertrude Steins Gedichtzeile Rose is a rose is a rose is a rose und den Improvisationen der Dada-K��nstler*innen spuken Wiederholungen als diskursive und stilistische Versatzst��cke durch die mitteleurop��ische und US-amerikanische Kulturgeschichte. Dementsprechend fragt die Theaterwissenschaftlerin Kristin Joy Kalu in ihrer Studie zu einer m��glichen ��sthetik der Wiederholung "welche Wirkung der Wiederholung als ��sthetischer Strategie noch eignen kann, wenn sie sich pausenlos wiederholt."(Kalu 2013, S. 249) Mit dem vorliegenden Band ver��ffentlicht der Berliner August Verlag (seit diesem Jahr als Imprint von Matthes & Seitz) eine weitere Reflexion dieses Diskurses, wobei sich die Publikation auch als Beitrag im Zeichen einer kritischen k��nstlerischen und theoretischen Praxis situiert. Die Herausgeberinnen Martina Dobbe und Francesca Raimondi (letztgenannte ist Mitbegr��nderin des August Verlags) verorten sich mit ihrer wissenschaftlichen Forschung in der Philosophie und Kunstgeschichte, wodurch auch der Band verschiedene medien-, tanz- sowie kunstphilosophische und -historische Perspektiven auf gegenw��rtige ��sthetische Praxen der Wiederholung versammelt. Flankiert von der grafischen Serie Spinning (John Morgan, 2021) und einem Bildessay Trauer und Melancholie (Olaf Nicolai, 2009/2012/2021) reflektieren mit der Einleitung acht wissenschaftliche Beitr��ge ��ber Serialit��t und Wiederholung. In ihrer Einf��hrung beschreiben Dobbe und Raimondi das titelgebende Begriffspaar als "Paradigmen der Kunst und des Denkens" und "Verfahrensweisen" (S. 9) eines Diskurses, der seit den 1960er Jahren vermehrt gef��hrt wird. Als "k��nstlerische, popkulturelle, ��sthetische und philosophische Konzepte" setzen die Autorinnen diese ins Verh��ltnis zu Topoi des "Neuen" und der "Originalit��t" (S. 9). Kategorien wie "K��nste der Wiederholung" (S. 11), "Denken der Wiederholung" (S. 18), "Performanzen der Wiederholung" und "Wiederholtes a/Ausstellen" (S. 29) dienen ihnen dabei zur Orientierung und gruppieren die sieben Beitr��ge. Aus kunsthistorischer Sicht argumentiert Dorothea von Hantelmann (S. 37-54) entlang zweier Arbeiten von Pierre Huyghes Untilled (2012) und After ALive Ahead (2017) die Verschr��nkung von Lebendigkeit und Wiederholung. Hantelmann betont die spezifische Situierung der beiden, schreibt ihnen einen ikonografischen Status und eine transgredierende Wirkung zu, da diese "zu einer radikalen Neubestimmung sowohl der Frage der Kunst wie auch der Ausstellung" (S. 37) f��hrten. Dies, indem sie den Ausstellungsort in seiner konkreten Materialit��t einbeziehen (unter anderem durch Pflanzen, Splitt, Ameisenh��gel etc.) und mittels digitaler Technologien transformieren. Dadurch entstehe eine Kunst, "die sich nahezu von selbst produziert und reproduziert" (S. 54), das Lebendige ��sthetisiert und mit Wiederholungsverfahren verschaltet. In "'Ask Elaine'. Wiederholung, Reproduktion und Mimesis" durchdenkt Maria Muhle diese Konzepte als sogenannte "mindere Techniken der Kunst" (S. 57), wobei die Bezeichnung 'mindere' auf "die von der ��sthetischen Verwerfungsgeschichte aussortierten nachahmenden, imitatorischen, reproduzierenden, wiederholenden Praktiken, [���] wie das Kopieren, das Nachstellen oder das Mimikrysieren" (S. 61) abhebt. Mit R��ckbezug auf Elaine Sturtevants Aneignungs- beziehungsweise Wiederholungs-Verfahren zeigt Muhle deren spielerischen Umgang mit Original und Kopie, das zugleich anti-modernistisch Autor*innenschaft und einzigartiges Sch��pfer*innentum verneint als auch modernistisch das Wesen der Kunst zu ergr��nden sucht. Dies er��ffne laut Muhle wiederum "eine Linie zum Digitalen" (S. 77), die das heutige zugespitzte Vervielf��ltigen, Zirkulieren und Distribuieren von Bildern mittels neuer Technologien ��ber den Blick zur��ck auf Sturtevant erl��utert und zu verstehen sucht. Einen Ansatz im Grenzbereich von Popul��rkultur und ��sthetik w��hlt Friedrich Balke in seinen "Anmerkungen zu einem Museumsbesuch in Breaking Bad" (S. 81). Der Medienwissenschaftler analysiert einen Teaser der dritten Staffel der TV-Serie, in der die Hauptfiguren Jane Margolis und Jesse Pinkman das Georgia-O'Keeffe-Museum in Abiquiu besuchen ��� ein Ereignis, das in der Serie erz��hlerisch angedeutet, aber nicht eingel��st wird. Am Beispiel dieser "Analepse" (S. 82) entwickelt Balke u. a. mit Deleuze/Guattari den Begriff der "Empfindungsbl��cke" (S. 81), die sich aus jenen Wiederholungen speisen, denen eine "morphologische Dimension" innewohnt (S. 86). Die aus dieser Untersuchungsanordnung hervorgehenden Ver��stelungen, intermedialen sowie motivischen Wiederholungs- und ��bertragungsvorg��nge ��� mal fokussiert Balke serielle Wirk- und Wiederholungsprinzipien von Breaking Bad, mal jene der K��nstlerin O'Keeffe ��� er��ffnen eine Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven auf das debattierte Begriffspaar des Sammelbandes. Die beiden tanz- beziehungsweise theaterwissenschaftlichen Artikel von Maren Butte und Sabine Huschka widmen sich Fragen der Erinnerungspolitik und des Fl��chtigen in den auff��hrenden K��nsten. Buttes Betrachtungen skizzieren Serialit��t und Wiederholung aus multiperspektivischer und diskursanalytischer Sicht und gliedern diese in Praxis, Entzug, Archiv und Fortdauer (vgl. S. 105-122). Der Ausgangspunkt ihrer Argumentation ist das widerspr��chliche Verh��ltnis der Denkfiguren des Fl��chtigen von Performances (im Sinne einer "Nicht-Wiederholbarkeit") und Wiederholung als "grundlegende[n] Verfahren der Auff��hrungsk��nste" (S. 105). Entlang einer eindr��cklichen Anzahl einschl��giger deutsch- beziehungsweise englischsprachiger theoretischer und ��sthetischer Positionen zeigt Butte, dass es gilt "Performance selbst als Wiederholung sichtbar [zu] machen" (S. 105) und als "lebendige[s] Archiv" zu begreifen (S. 106). Sabine Huschka n��hert sich ��ber Wiederholungsstrategien dem Erinnern im zeitgen��ssischen Tanz und reflektiert diese als "'historiographische' Tanzpraktiken" (S. 125). Die Tanzwissenschaftlerin arbeitet heraus, wie die zeitgen��ssische k��nstlerische Auseinandersetzung mit tanzgeschichtlichen Erinnerungen als "��sthetischer Reflexionsraum" fungiert, in dem "��berarbeitet, weitergef��hrt, (wieder-)gefunden und (wieder-)erfunden" wird (S. 127). Dies veranschaulicht sie anhand der choreografischen Projekte von Jochen Roller (The Source Code, 2012), Christina Ciupke und Anna Till (undo, redo and repeat, 2013) und Henrietta Horn (Le Sacre du Printempsvon Mary Wigman, 2013) und kommt zu dem Schluss, dass f��r eine vertiefte Analyse dieser Entwicklungen zwischen t��nzerisch-k��rperlichen Wiederholungsverfahren und kunstwissenschaftlichen Diskursen beziehungsweise Re-Enactments der Performancekunst unterschieden werden muss. Die beiden letztgenannten w��rden im Zuge einer "bildkritischen Praxis" als "Akt der Verlebendigung gefasst", wohingegen dem Tanz aufgrund dessen medialer Disposition der "Akt einer Vergegenw��rtigung" bereits innewohne (S. 146). Mit der Verschr��nkung kuratorischer und ��sthetischer Praxen besch��ftigt sich der Beitrag der Kunsthistorikerin Beatrice von Bismarck "Trans(pos)ition: In der Sprache des Kuratorischen" (S. 149-165). Mit Walter Benjamins ��bersetzungs-Begriff versteht Bismarck die "transpositionale Grundstruktur des Kuratorischen" (S. 151) als relationales Gef��ge, das insbesondere dann produktiv wird, wenn die "angestammten Bindungen" des gew��hlten Ausstellungszusammenhangs gelockert und in "neue Konstellationen" ��berf��hrt werden (S. 164). So untersucht sie Dominique Gonzalez-Foersters Roman de M��nster (2007) als ��bertragung von Ausstellungen (Skulptur Projekte M��nster 1977, 1987, 1997, 2007) in eine Installation, die den "Fokus von den Einzelwerken auf ihr Bezugssystem" verschiebt (S. 157), wobei "[d]er f��r die Transposition gew��hlte Modus der Fiktionalisierung [���] vorangegangene Bedeutungen, Funktionen und Status" (S. 159) neu denkt und (be-)schreibt. Nina M��ntmann beleuchtet in ihrem Beitrag das Kuratieren wiederum aus institutioneller und diskursanalytischer Perspektive (vgl. S. 167-191). Am Beispiel der documenta X und der Documenta II erl��utert die Kunsttheoretikerin ihre Thesen zur Umwertung des Ausstellungsformats in Wechselwirkung mit der 'Moderne' beziehungsweise dem Konzept des Zeitgen��ssischen (vgl. S. 167). Mit der Denkfigur vom "Sturz in die Welt" (S. 173f) entfaltet M��ntmann ihre Argumentation und den Versuch "die globalisierte Gegenwart aus einer kolonialen Vergangenheit" zu denken (S. 178f). Sie detektiert und erl��utert ein "Prinzip der Aktualisierung" (S. 189), welches sich auf den M��glichkeitshorizont jener k��nstlerischen Arbeiten bezieht, die "dokumentarische Elemente mit fiktiven und poetischen" (S. 189) kombinieren. Anstatt also "die verlorenen Schlachten der Vergangenheit als Scheitern zu akzeptieren", bilden die entstandenen M��glichkeitshorizonte den Auftakt auf diese "K��mpfe als noch offene, nicht abgeschlossene Aufgabe zu blicken, die wiederbelebt werden muss." (S. 189) Serialit��t und Wiederholung fungieren demnach als inhaltliche und formale Klammern des Sammelbandes, mit dem die Herausgeber*innen und Autor*innen diese Prinzipien (re-)konstruieren, aktualisieren und (re-)vitalisieren. Es sind dies unabgeschlossene und unabschlie��bare Projekte, deren Potenzial f��r Kunst, Theorie und Politik ��� dies gelingt es zu zeigen ��� trotz und wegen ihrer Profanisierung noch nicht ersch��pft ist. Literatur: Kalu, Joy Kristin: ��sthetik der Wiederholung. Die US-amerikanische Neo-Avantgarde und ihre Performances. Berlin: Transcript Verlag 2013, S. 249., [rezens.tfm], Nr. 2021/2