Hintergrund, Ziel und Zweck Die Belastung von Flieβgewassern durch organische Mikroverunreinigungen wirft haufig die Frage der Quellenzuordnung auf. Baumaterialien als Quellen problematischer Spurenstoffe finden in der Gewasserbeurteilung bisher wenig Beachtung, obwohl bereits heute biozide Wirkstoffe aus Materialschutzanwendungen zu einer Belastung des Regenwasserabflusses fuhren. In der vorliegenden Untersuchung wurden (1) die okotoxikologischen Kenngrosen fur typische Biozide in Fassadenbeschichtungen ermittelt, (2) die Auswaschung von besonders problematischen Bioziden aus Fassaden quantifiziert und (3) das Belastungsrisiko fur Gewasser mittels Stofftransportmodellierung abgeschatzt. Methoden Acht Biozide wurden untersucht, die in kunstharzgebundenen Fassadenbeschichtungen verwendet werden. Dazu gehoren auch Wirkstoffe, deren Umwelteintrag bisher eher der Landwirtschaft zugerechnet wurde, z. B. Diuron, Carbendazim und Terbutryn. Fur jedes Biozid wurden okotoxikologische Qualitatskriterien fur aquatische Organismen bestimmt. Die Auswaschung von vier Bioziden aus einer verputzten Fassade wurde im Laborversuch unter Berucksichtigung von UV-Bestrahlung untersucht, wobei die Temperatur variiert wurde. Uber 80 Beregnungsintervalle in 28 Tagen wurden Proben des Fassadenabflusses entnommen, die Wirkstoffkonzentrationen gemessen und die ausgewaschenen Wirkstoffmengen berechnet. Basierend auf einem Austragsszenario wurde das mogliche Belastungsrisiko im Gewasser durch das Biozid Cybutryn mit einer Stofftransportmodellierung abgeschatzt. Die ermittelten wirkstoffspezifischen Qualitatskriterien und die Auswaschcharakteristik wurden darin berucksichtigt. Ergebnisse Die akuten und chronischen Kriterien sowie vorhergesagten Konzentrationen ohne Effekt weisen auf eine hohe Okotoxizitat der betrachteten Biozide hin. Die Ergebnisse zum Auswaschungsverhalten von vier Bioziden (Diuron, Terbutryn, Cybutryn und Carbendazim) zeigen, dass die Wirkstoffe im Fassadenabfluss vorkommen und die Belastung unter den gewahlten experimentellen Bedingungen exponentiell abnimmt. Dabei fuhrt eine Temperaturerhohung wieder zu einem Konzentrationsanstieg. Die ausgewaschenen Stoffmengen liegen zwischen 7 % und 29 %. Bereits innerhalb der ersten 15 min wurde mehr als die Halfte der gesamten Stoffmenge wahrend der 60 min Beregnungsdauer ausgewaschen. Die Stofftransportmodellierung zum Eintrag des Biozids Cybutryn aus Fassaden ins Gewasser deutet auf ein hohes Belastungspotential fur kleinere Gewasser hin. Diskussion Die Ergebnisse zur Auswaschung von Bioziden, deren potentielle okotoxische Effekte und Stabilitat in der Umwelt zeigen, dass von einigen Wirkstoffen fur Gewasser ein hohes potentielles Belastungsrisiko, von anderen aber nur ein geringes Risiko ausgehen durfte. Belastetes Fassadenwasser muss fur einige Biozide sehr deutlich durch unbelastetes Regenwasser verdunnt werden, damit die Qualitatskriterien im Gewasser eingehalten werden. Diuron und Carbendazim werden auch in anderen Materialschutzanwendungen verwendet oder in der Landwirtschaft ausgebracht. Cybutryn wird oft als Antifouling-Wirkstoff in Bootsanstrichen eingesetzt, so dass eine Belastung im Gewasser erst unter Berucksichtigung aller Eintragswege beurteilt werden kann. Schlussfolgerungen Kritische Konzentrationsbereiche im Fassadenabfluss sind an neuen Gebaudefassaden zu erwarten, in der Regel vor allem an warmegedammten Fassaden. Angesichts der niedrigen vorhergesagten Konzentrationen ohne Effekt im Bereich von wenigen ng/L und den hohen Anwendungsmengen in Fassaden sollte die Auswaschung und das Umweltverhalten wirkstoffspezifisch abgeschatzt werden. Masnahmen an der Quelle und die jeweils nachhaltigste Regenwasserentsorgung sollten evaluiert werden. Empfehlungen und Ausblick Bei der Beurteilung der Qualitat von Regenwasserabflussen, der Entsorgungswege und Boden- und Gewasserbelastung sollte dem zunehmenden Einsatz von Bioziden und anderen Additiven in Baumaterialien als mogliche Belastungsquelle verstarkt Beachtung geschenkt werden. Ein ganzheitliches Management von Baumaterialien und der Regenwasserbewirtschaftung ist gefordert. Die noch laufenden Labor- und Feldstudien werden weitere Ergebnisse zur Auswaschung von Bioziden und Additiven aus Fassadenfarben und -putzen sowie Dachmaterialien liefern.