Das World Wide Web hat in den 20 Jahren seit seiner Entstehung die Vernetzung und den Austausch von Informationen innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft enorm erleichtert. In der quantitativen Wissenschaftsforschung sowie der Informationswissenschaft wird seit Mitte der 90er Jahre darüber diskutiert, inwiefern das World Wide Web Aufschluss über die sozialen Strukturen der Wissenschaft gegeben kann. Vorbild war dabei zunächst die etablierte quantitative Methode der Wissenschaftsforschung: die Bibliometrie. Auf der Grundlage von Publikations-, Zitations- und Koautorenschaftsdaten lassen sich mit bibliometrischen Verfahren beispielsweise Erkenntnisse über den Stellenwert und die Vernetzung einzelner ForscherInnen, Gruppen, Forschungseinrichtungen oder Nationen gewinnen. In Anlehnung daran werden nun unter dem Begriff "Webometrie" Daten zur Größe von Websites und ihrer Vernetzung durch Links analysiert, um die virtuelle Präsenz und Vernetzung verschiedener wissenschaftlicher Entitäten zu bestimmen. Neben oberflächlichen Parallelen zur Bibliometrie wurden jedoch schnell auch fundamentale Unterschiede deutlich. Sie resultieren aus spezifischen Eigenschaften des World Wide Webs, das anderen Zwecken dient als Fachzeitschriften und das - anders als Publikationsdatenbanken - keine retrospektiven Untersuchungen zulässt, das kaum formal standardisiert ist und in dem eine systematische Qualitätskontrolle fehlt, wie sie in wissenschaftlichen Zeitschriften mit der Peer-Review fest verankert ist. Folglich befasst sich ein großer Teil der webometrischen Literatur mit der Entwicklung neuer Verfahren und Indikatoren sowie mit der Prüfung ihrer Aussagekraft. Dies gilt auch für die vorliegende Dissertation, die sich mit der Frage befasst, inwiefern webometrische Verfahren dazu geeignet sind, internationale Zusammenhänge in der Wissenschaft zu untersuchen. Diese Frage ist bislang nicht systematisch betrachtet worden. Um sie beantworten zu können, wurden auf der Grundlage zweier literaturbasierter Kapitel - zur Entwicklung der Webometrie sowie zur webometrischen Untersuchung internationaler Zusammenhänge in der Wissenschaft - drei Leitfragen entwickelt: 1. Wie aussagekräftig sind Top-Level-Domains als Indikatoren der nationalen Verortung? 2. Inwieweit ähneln sich die Bilder, die webometrische und bibliometrische Indikatoren von der internationalen Einbettung von Forschungseinrichtungen zeigen? 3. Hängen Präsenz und Vernetzung wissenschaftlicher Einrichtungen im World Wide Web (bzw. im Web of Science) mit dem Entwicklungsstand ihrer Sitzländer zusammen? Die drei Leitfragen wurden im Rahmen einer empirischen Fallstudie geklärt. Gegenstand der Fallstudie waren zehn Meeresforschungseinrichtungen in deutsch- und englischsprachigen Ländern. Die Ergebnisse dieser Dissertation sprechen dafür, dass die Webometrie eher eine Ergänzung als ein Ersatz für die Bibliometrie darstellt. Beide befassen sich mit sehr unterschiedlichen Datenquellen, die ihre eigenen Anforderungen an die Methode stellen. Im Hinblick auf internationale Fragestellungen hat eine Limitierung in der Reichweite webometrischer Anwendungen gezeigt: Da keine zuverlässigen, automatisiert auszuwertenden Indikatoren für die nationale Zuordnung von Webseiten zur Verfügung stehen, muss die Webometrie internationale Fragestellungen weiterhin anhand ausgewählter Websites durchführen, deren nationale Verortung bekannt ist. Darüber hinaus zeigte sich ein eher negatives Bild, was die Einbindung von Forschungseinrichtungen in Entwicklungsländern in Webstrukturen betrifft: Durch die global digital divide im Internetzugang weisen die untersuchten Meeresforschungseinrichtungen in englischsprachigen Entwicklungsländern - im Verhältnis zu ihrer personellen Größe - deutlich kleinere Websites auf als diejenigen in Deutschland und den USA. Sie sind zudem wesentlich schwächer verlinkt. Im Gegensatz dazu stellte sich heraus, dass die Publikationen der Forschungsinstitute durchgängig zu hohen Teilen im Web of Science erfasst werden. Das Einrichten und Pflegen einer Webpräsenz ist offensichtlich eine Anforderung, die Forschungseinrichtungen in Industrieländern - u.a. mit Hilfe von spezialisiertem Personal - besser bewältigen und für sich nutzen können als solche in Entwicklungsländern. Dort belastet diese zusätzliche, wissenschaftsfremde Aufgabe die ohnehin knappen Forschungsressourcen. Bisher verschärft das World Wide Web somit die bestehende Ungleichheit in der globalen Forschungslandschaft eher, als dass es sie mildert. Es ist anzunehmen, dass Forschungseinrichtungen, die nicht die Möglichkeit haben, ihre Existenz und ihre Aktivitäten im World Wide Web darzustellen, Chancen - beispielsweise auf neue Kooperationen - entgehen.