Einleitung: Seit Beginn der regelmäßigen Gesundheitsberichterstattung vor etwa 20 Jahren dokumentieren Sozialversicherungsträger in Deutschland einen stetigen Bedeutungszuwachs von Depressionen im Versorgungsgeschehen, begleitet von wachsender medialer und gesundheitspolitischer Aufmerksamkeit. Auch anhand internationaler Befunde wird eine „Epidemie der Depression“ als Zeitkrankheit der Moderne umfassend diskutiert. In den drei Originalarbeiten dieser Dissertation wurde anhand von bevölkerungsrepräsentativen Daten des Gesundheitsmonitorings des Robert Koch-Instituts bei Erwachsenen untersucht, 1) wie hoch das aktuelle Vorkommen depressiver Symptome ist, 2) inwieweit sich über einen Zeitraum von 12 Jahren eine Zunahme der Prävalenz oder „Folgenschwere“ von Depressionen beobachten lässt und 3) ob sich im gleichen Zeitraum das Hilfesuchverhalten Betroffener verändert hat. Methodik: Datengrundlage bilden die Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell, Welle 2014/2015“ (GEDA 2014/15-EHIS, N = 24.016), der Bundes-Gesundheitssurvey mit dem Zusatzsurvey „Psychische Störungen“ (BGS98, 1997–1999, N = 4.181) sowie die „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ und ihr Modul „Mental Health“ (DEGS1-MH, 2009–2012, N = 4.483). In GEDA 2014/15-EHIS wurde eine depressive Symptomatik in den letzten 2 Wochen mittels PHQ-8 erhoben. Symptome einer Major Depression gemäß DSM-IV wurden im BGS98 und in DEGS1-MH standardisiert mittels Composite International Diagnostic Interview erfragt; die Ableitung einer 12-Monats-Diagnose wurde vereinheitlicht. Zudem wurden gesundheitsbezogene Korrelate als Indikatoren der Folgenschwere sowie die selbstberichtete Kontaktaufnahme zu Hilfs- und Versorgungsangeboten erfasst. Prävalenzveränderungen über die Zeit wurden mittels Chi-Quadrat Test ermittelt; zeitliche Veränderungen gesundheitsbezogener Korrelate sowie im Hilfesuchverhalten wurden regressionsanalytisch untersucht. Die Trendanalysen wurden zusätzlich altersstandardisiert durchgeführt. Alle Auswertungen wurden durch Gewichtungsfaktoren hinsichtlich der jeweiligen soziodemografischen Bevölkerungsstruktur korrigiert. Ergebnisse: Bei jedem 10. Erwachsenen besteht eine aktuelle depressive Symptomatik. Seit Ende der 1990er Jahre zeigt sich eine stabile Depressionsprävalenz von 7,4 %. Bei Frauen zeigt sich eine Veränderung der Altersverteilung und Depressionsschwere. Darüber hinaus lässt sich eine Verschlechterung erlebter Funktionseinschränkungen sowie der gesundheitsbezogenen Lebensqualität im Bereich psychischer Gesundheit beobachten, insbesondere bei Männern mit Depression. In der selbstberichteten Kontaktaufnahme zu Hilfs- und Versorgungsangeboten lassen sich insgesamt keine Veränderungen bei Personen mit Depression nachweisen. Neben Zugangsbarrieren werden u. a. Angst vor Stigmatisierung und mangelnde Aufklärung als Gründe einer Nichtinanspruchnahme berichtet. Diskussion: Die im Versorgungsgeschehen verzeichnete Zunahme an Depressionsdiagnosen ist nicht in einem tatsächlichen Prävalenzanstieg in der Bevölkerung begründet. Auch unter Berücksichtigung von Veränderungen der Folgenschwere von Depressionen sowie des Hilfesuchverhaltens Betroffener bleibt der ausgeprägte Anstieg administrativ erfasster Diagnosen erklärungsbedürftig. Die Ergebnisse entsprechen der internationalen Befundlage. Neben grundsätzlichen Unterschieden zwischen Primär- und Sekundärdaten werden auch eine potentielle Übererfassung von Depressionen im Versorgungssystem sowie Veränderungen in der Gesamtbevölkerung diskutiert., Background: National social insurance companies in Germany have reported increasing frequencies of depression and growing costs since the first reports approximately 20 years ago, accompanied by rising public and political awareness. Likewise, based on international findings an “epidemic” of depression as a disease of modernity is frequently claimed. The three publications of this dissertation are based on representative nationwide data from the German health monitoring programme at the Robert Koch Institute, examining 1) prevalence of current depressive symptoms in the general adult population, 2) time trends in depression prevalence and health-related correlates, and 3) help-seeking behaviour in depression. Methods: Data were obtained from the “German Health Update” (GEDA 2014/2015-EHIS, n = 24,016), the mental health module of the “German Health Interview and Examination Survey for Adults” (DEGS1-MH, 2009–2012, n = 4,483) and the mental health supplement of the “German National Health Interview and Examination Survey 1998” (GHS-MHS, 1997–1999, n = 4,181). Depressive symptoms during the past 2 weeks have been assessed via PHQ-8 in GEDA 2014/2015-EHIS. 12-month major depressive disorder was assessed according to DSM-IV via Composite International Diagnostic Interview in GHS-MHS and DEGS1-MH; diagnoses were based on a unified diagnostic algorithm. Health-related correlates indicating burden of disease and service utilization due to mental health problems by type of sector and service provider were examined, too. Time trends have been evaluated via Rao-Scott chi-square test for depression prevalence, and via regression analyses for health-related correlates and service utilization. Additional age-standardized trend analyses were conducted. All analyses were carried out population-weighted. Results: One in ten adults experiences current depressive symptoms. Depression prevalence in the general population remained stable at 7.4 % since 1997–1999. Women showed a shifted age distribution and increasing depression severity. Mental health disability increased over time, particularly among men. Overall, there were no significant time trends with respect to self-reported service utilization. Access barriers, worrying about stigmatization and lack of knowledge were identified as barriers for help seeking. Conclusions: Increasing frequencies of depression in German health insurance data cannot be attributed to overall prevalence changes at a population level. Even when considering time trends in health-related correlates and help-seeking behavior among people with depression, only little evidence is available in view of the enormous increase of medical depression diagnoses. Results are in line with international findings. Differences between primary and secondary data as well as further changes within the adult population in Germany are discussed.