Ein 24-jahriger Student ohne relevante Vorerkrankungen stellt sich nach einer 4-wochigen Reise durch Sudostasien (Thailand, Laos, Kambodscha) in Ihrer arztlichen Praxis vor. Er informierte sich bereits vor der Abreise bei Ihnen uber notige Impfungen und Malariaprophylaxe. Sie fuhrten eine Hepatitis-A- und -B-Kombinationsimpfung und eine Typhusimpfung durch. Des Weiteren empfahlen Sie ihm eine Expositionsprophylaxe gegen Insektenstiche und verschrieben ihm ein Mittel zur notfallmasigen Selbstbehandlung von Malaria. Die Impfung fur Tetanus, Diphtherie und Polio war noch auf dem neuesten Stand. Der Patient ist bereits seit 5 Tagen wieder aus dem Urlaub zuruck, wobei er vor Ort, abgesehen von einer 3-tagigen Diarrhoepisode mit Ubelkeit und Erbrechen, keine weiteren Beschwerden hatte. Seine aktuelle Anamnese ergibt: Seit 2 Tagen Abgeschlagenheit und seit gestern sehr starke Glieder- und Muskelschmerzen, die den Patienten stark beeintrachtigen. Seit heute starkste Kopfschmerzen und ein fiebriges Gefuhl. Temperatur wurde nicht gemessen. Wegen der starken Kopfschmerzen hat er bereits 1 Tablette Acetylsalicylsaure 500 mg eingenommen. Der Patient gibt an, allein und mit dem Rucksack unterwegs gewesen zu sein. Er reiste unter einfachen Bedingungen und ernahrte sich z. T. an Strasenstanden. Er reiste von Bangkok in den Norden Thailands (Chang Mai) wo er eine 3-tagige Trekkingtour unternahm; anschliesend fuhr er durch Laos (Luang Prabang, Vientiane) und zum Abschluss zu den Tempelruinen von Angkor Wat in Kambodscha. Auf Ihr Nachfragen gibt der Patient an, Suswasserkontakt gehabt zu haben, sexuellen Kontakt jedoch verneint er. Bei der korperlichen Untersuchung fallt Ihnen auser multiplen Muckenstichen ein makuloses Exanthem am Stamm und an den Extremitaten auf. Eine Temperaturmessung ergibt 39,1 °C sublingual. Es finden sich keine weiteren pathologischen Befunde, der Patient ist in reduziertem Allgemeinzustand bei gutem Ernahrungszustand. Sie veranlassen bei dem Patienten eine Blutabnahme mit Differentialblutbild, Transaminasen, C-reaktivem Protein (CRP), Lactatdehydrogenase (LDH), Kreatinin, Bilirubin, Blutkultur, einen Blutausstrich/„Dicken Tropfen“ und eine Urinstixanalyse. Aufgrund der vom Patienten geschilderten Symptomatik, der Reiseroute und der Expositionsrisiken kommen am wahrscheinlichsten folgende Differentialdiagnosen in Frage: • Malaria: - Fieber, - Kopf- und Gliederschmerzen, - Thrombozytopenie, - Inkubationszeit: bei der Malaria tropica meist 7–15 Tage, bei den anderen Malariaformen bis zu mehreren Monaten. • Dengue-Fieber: - Fieber, - Kopf- und Gliederschmerzen, - Insektenstiche, - Thrombozytopenie, - Leukozytopenie, - Transaminasenerhohung, - makuloses Exanthem, - Inkubationszeit: 2–8 Tage. • Typhus/Paratyphus: - Fieber (jedoch langsamer Fieberanstieg), - Kopfschmerzen, - Abgeschlagenheit bis hin zur Benommenheit, - Roseolen, - relative Bradykardie, - Leukozytopenie mit Aneosinophilie, - Inkubationszeit: 1–3 Wochen. • Leptospirose (initial): - Fieber, - Kopfschmerzen, - Myalgien, - Meningismus, - Urin: Proteinurie, Pyurie und z. T. Mikrohamaturie, - Inkubationszeit: 1–2 Wochen. Bei der laborchemischen Untersuchung fallen bei dem Patienten eine Thrombozytopenie (102 000/µl), eine leichte Leukozytopenie (3,8 G/l) und um das Doppelte erhohte Transaminasenwerte (GPT 67,5 U/l, Normalwert < 31,2 U/l) auf. Der Malariatest war negativ, das Ergebnis der Blutkulturen liegt noch nicht vor, die ubrigen Laborbefunde und der Urinbefund waren unauffallig. Eine Leptospirose oder ein Typhus abdominalis/Paratyphus ist aufgrund der Klinik und der Laborwerte eher unwahrscheinlich, das Ergebnis der Blutkulturen steht jedoch noch aus. Der negative Malariaausstrich schliest eine Malaria noch nicht vollstandig aus; angesichts der typischen Klinik lautet die Verdachtsdiagnose jedoch „akutes Dengue-Fieber“. Sie veranlassen einen Dengue-Schnelltest, der schwach positiv fur IgM ausfallt. Bei einer serologischen Kontrolluntersuchung nach 10 Tagen ist der Titerwert um ein Vierfaches angestiegen, was Ihre Verdachtsdiagnose bestatigt. Da schwere Komplikationen wie z. B. das Dengue-hamorrhagische Fieber bei Reisenden extrem selten sind [4] und der Patient im Augenblick stabil ist, fuhren Sie die weitere Behandlung ambulant durch. Wichtig sind dabei regelmasige Kontrollen der Thrombozytenzahl. Eine spezifische Therapie existiert nicht, es wird lediglich symptomatisch behandelt mit Anwendung von Antipyretika und Analgetika. Wegen ihres Ein. usses auf die Thrombozytenaggregation sollte Acetylsalicylsaure dabei nicht eingesetzt werden. Der Patient entfiebert nach wenigen Tagen, und die Thrombozytenzahl hat nach 10 Tagen wieder Normalwert erreicht.