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Die Quasselstrippe ist ein Werkzeug, um Dialoge zu unterstützen. Angelehnt an die Idee des Dosentelefons kann es Wünsche, Fragen und Kommentare digital sammeln und verarbeiten. Das Werkzeug ist ein Open-Source-Tool zum Selberbauen für Initiativen, Bildungsinstitutionen, Museen und alle, die es ausprobieren möchten. Wir verstehen unser Dosentelefon zum Selbermachen als eine Gegenposition zu bestehenden Voice Interfaces und als offenes System für nachhaltige Prozesse. Unser Ziel ist es, Menschen zu befähigen, sich Technologie anzueignen und Selbstwirksamkeit zu erleben.

Die Diskussionen uber Quartiere, Migration und Globalisierung sind gepragt von Extremen. Auf der einen Seite ist die Rede von problematischen „Migrantenquartieren“ und „Parallelgesellschaften“, bzw. neuerdings „Gegengesellschaften“; Quartiere stellen aus dieser Sicht die „Brennpunkte“ dar, an denen Probleme kondensieren. Auf der anderen Seite werden Quartiere auch als Ausgangspunkt angesehen, von denen soziales Kapital, Identitatsstiftung oder „Integration“ ausgehen. Eine Reihe von Forderprogrammen zielt auf kleinraumige Interventionen auf Quartiersebene ab. Die Hoffnung besteht darin, innerhalb von haufig neu geschaffenen Quartiersterritorien burgerschaftliche Bindungskrafte und Selbstheilungskrafte zu entwickeln.

DH: In der Arbeit fur dieses Buch haben wir uns intensiv mit eigensinnigen Alltagspraktiken von stadtischen Milieus beschaftigt. Unsere Perspektive ist dabei stark auf die politische Ebene der Partizipation gerichtet. Wir argumentieren, dass aus jenen lebensweltlichen Organisationsformen ein betrachtliches Potenzial fur die Entwicklung und Verbesserung von Beteiligungsformaten zu ziehen ist. Wie verhalt sich dies zu Deinem Blick auf Trends und deren Bedeutung im wirtschaftlichen und sozialen Wandel?

ML: Eigensinn und Eigenlogik waren fur uns Konkurrenten, uber die wir nachgedacht haben, um das zu fassen, was wir jetzt Eigenlogik nennen. Eigensinn ist fur mich ein Begriff, der starker auf der Handlungsebene angesiedelt ist, also ein Begriff, der betont, dass Handeln „sinnhaft“ ist. Mit Karl Mannheim kann man Eigensinn noch weitergehend als kollektiven Sinn fassen, der in das Handeln hineinfliest. Der Eigensinn von Stadten und Quartieren – als konjunktive Erfahrungsraume gedacht – stellt sich in der alltaglichen Praxis her. Der Eigenlogik-Begriff setzt dagegen fur mich starker auf der Strukturebene an. Mit Pierre Bourdieu gesprochen ist die Logik der Praxis eine Konzeption, die den Zusammenhang zwischen Struktur und Handeln betont. Die grundsatzliche Figur ist: Im praktischen Tun in strukturierten Kontexten reproduziert sich die Logik einer Stadt. Eigensinn und Eigenlogik beruhren sich. Man denkt gewissermasen von zwei Seiten auf das zu beschreibende Phanomen zu. Meines Erachtens betont der Eigenlogik-Begriff starker das Strukturmoment und der Sinnbegriff starker das Moment des individuellen Handelns. Wenn ich versuche, den Prozess zu verstehen, wie sich diese Stadt als eine Sinngemeinschaft herstellt und reproduziert, dann komme ich nicht ohne einen Sinnbegriff aus. Ich stelle die Frage: Was macht Stadte zu Sinnzusammenhangen, die als Eigenlogiken konzeptuell gefasst werden konnen?

So lesen sich die Schriftzuge entlang zweier Strasenblocks der Sonnenallee in Berlin-Neukolln. Die vierspurige Strase durchzieht den ehemaligen Westbezirk Neukolln von der ostlichen Stadtperipherie bis an die Grenze des zentralen Bezirks Kreuzberg. Die groszugigen vieretagigen Altbauten entlang der Strase sind zu einem grosen Teil in sanierungsbedurftigem Zustand. Bis in die 1980er und 1990er Jahre waren es vor allem Handwerksbetriebe und spezialisierte Einzelhandler, welche die zahlreichen Erdgeschoss-Gewerberaume mit Fenstern zur Strase nutzten. Mit dem postindustriellen Strukturwandel der Wendejahre kam der Leerstand und Investitionen in Sanierungen und Aufwertungen wurden zuruckgehalten. Stuck fur Stuck waren es Migranten, die die Strase wieder belebten. Uber einige Strasenblocks hinweg sind es arabische Gewerbe, die das Strasenbild bestimmen. Die Strase wird in hoher Frequenz befahren und ist gepragt von reger Geschaftigkeit.

Die mediale Berichterstattung hat in den letzten Monaten des Jahres 2010 vermehrt die Aufmerksamkeit auf verschiedene Proteste und deren jeweilige Hintergrunde in deutschen Stadten und landlichen Regionen gerichtet. Wahrend man in Stuttgart gegen den Neubau eines unterirdischen Durchgangsbahnhofs unter dem existierenden Bahnhof protestierte, organisierte sich der Protest gegen die Zwischenlagerung von Atommull in Gorleben entlang des Schienentransportweges bis zum Wendland. Angestachelt von derartigen Aufmerksamkeitsvolten schafften es andere Problemkonstellationen, in diesem Windschatten ebenso medial in den Vordergrund zu kommen: Am Stadtrand von Berlin protestierten Anwohner gegen Ungenauigkeiten in der Bemessung der Einflugschneisen des im Bau befindlichen Flughafens Berlin-Brandenburg-International (BBI).