Lithium-Ionen-Batterien werden üblicherweise zur Speicherung elektrischer Energie in tragbaren Geräten verwendet und sind vielversprechende Systeme für die Energiespeicherung in großem Maßstab. Ihre Anwendung ist jedoch noch begrenzt auf Grund von Alterungseffekten der Elektrode und Stabilitätsproblemen. Zur Verbesserung des grundlegenden Verständnisses vom Abbau der Elektroden wird in dieser Arbeit über die Raman-spektroskopische Charakterisierung von LiCoO2- und LiNi1/3Mn1/3Co1/3O2 (NMC)-Komposit-Kathoden für Lithium-Ionen-Batterien unter Arbeitsbedingungen berichtet. Ziel der Arbeit ist es durch räumlich- und zeitlich-aufgelöste Experimente unter Arbeitsbedingungen neue Einblicke in die Wirkungsweise und Dynamik von Kathodenmaterialien für Lithium-Ionen-Batterien zu erhalten, um neue Erkenntnisse über die Ursachen ihrer Ermüdung und Unterschiede im Ladungszustand einzelner Oxidpartikel zu gewinnen. Als Folge der Zyklierung verändert sich lokal die Zusammensetzung der Komposit-Kathode z.B. durch die Wanderung des Kohlenstoffadditivs. Dadurch verringert sich der elektronische Kontakt einzelner Oxidpartikel zur Matrix. Die Folge ist eine Abnahme der integrierten elektrochemischen Performance. Eine Analyse von Oxid-Einzelpartikeln unter Arbeitsbedingungen zeigt, wie sich Ladungszustand bzw. Dynamik einzelner Partikel voneinander unterscheiden. Neben der heterogenen Zusammensetzung der Komposit-Kathoden kann auch heterogenes Verhalten der Oxidpartikel beobachtet werden. Die elektrochemischen Prozesse verlaufen unterschiedlich an verschiedenen Stellen der Elektrodenoberfläche. Die Kartierung von der Elektrodenheterogenität unter Arbeitsbedingungen gibt Aufschluss auf das Diffusionsverhalten der Lithium-Ionen im Festkörper, sowie deren De-/Interkalation. Die Analyse der Dynamiken des Elektrolyten verbessern hierbei das Verständnis im Diffusionsverhalten einzelner Oxidpartikel. Das typische Zusammenspiel von Interkalation und Solvatation des Aktivmaterials und des Elektrolyten wurde analysiert. Neben temporär inaktiven oder komplett inaktiven Partikeln des Aktivmaterials kann zusätzlich Festkörperdiffusion in den Aktivmaterialien beobachtet werden. Damit zeigt sich zum Einen, dass der Austausch der Lithium-Ionen nicht auf der gesamten Elektrodenoberfläche stattfindet. Zum Anderen zeigen die Aktivmaterialien heterogenes Interkalationsverhalten während der elektrochemischen Zyklierung. Aktives und inaktives Verhalten unterschiedlicher Oxid-Einzelpartikel erschwert die Identifizierung und Anwendung eines spektroskopischen Indikators für die Bestimmung des Ladezustandes von Kathodenmaterialien. Zur weiteren Analyse wurden Strategien zur Steigerung der Empfindlichkeit der in situ/operando Spektroskopie entwickelt, und zwar auf der methodischen Seite, durch Nutzung von Materialeigenschaften als auch durch Additive. Hierbei wurde der bisherige Raman-Mikroskop-Aufbau erweitert. Die Möglichkeit einer räumlich-aufgelösten Mehrkanalmessung wurde geschaffen und durch verschiedene Materialien (CeO2 und Li2MnO3) evaluiert. Des Weiteren wurde das Potential der Raman-Spektroskopie zur räumlich- und zeitlich-aufgelösten Analyse unter Arbeitsbedingungen ausgelotet. Die Grundlagen dafür bietet die resonanzverstärkte in situ Raman-Mikroskopie, welche eine Erhöhung der Empfindlichkeit ermöglicht, indem gezielt Resonanz-Effekte ausgenutzt werden. Dazu wurde ein Multi-Wellenlängen-Ansatz verfolgt, um die Analyse von Materialien mit verschiedenen Wellenlängen durchzuführen und den Informationsgehalt zu vergleichen. Durch Wahl der Anregungswellenlänge konnten gezielt Resonanz-Effekte in den Elektrodenmaterialien LiCoO2, LiNiyCo1-yO2 und NMC gezeigt werden. Es konnte ein Resonanz-Raman-Effekt für die Wellenlängen 385 und 514 nm, ein Präresonanz-Effekt für die Wellenlänge 632 nm und kein Resonanz-Effekt für die Wellenlänge 256,7 nm an LiCoO2 beobachtet werden. Bisher nicht identifizierte Obertonsignale bei 980, 1070 und 1320 cm-1 konnten zugeordnet werden. Durch Raman-Signale der Obertonzuordnung können Fehlordnungen der Cobalt-Ionen in LiCoO2 nachgewiesen werden. Die Raman-Verschiebungen von LiNiyCo1-yO2 zeigen eine von der Anregungswellenlänge unabhängige Verschiebung durch den Nickelgehalt. Damit kann der Nickelgehalt der Mischoxide mit Hilfe der Raman-Verschiebung bestimmt werden. Die Raman-Spektren des vielversprechenden Elektrodenmaterials NMC zeigen eine Abhängigkeit von der genutzten Anregungswellenlänge. Durch Wahl der Anregungswellenlänge können auf Grund von Resonanz- und Absorptionseffekten verschiedene Facetten des Materials abgefragt werden. Dabei zeigt die Nutzung der Anregungswellenlänge 632 nm den geringsten Einfluss von Resonanz- und Absorptionseffekten. Es gibt einen Hinweis darauf, dass verschiedene Phasen der Einzelkomponenten im Mischoxid vorhanden sind. Die Betrachtung der unterschiedlichen Phasen auch unter Arbeitsbedingungen ist durch Wahl der Anregungswellenlänge möglich. Zuletzt zeigt die Anregungswellenlänge 256,7 nm eine hohe Empfindlichkeit gegenüber der Elektrodenoberfläche und kann dazu genutzt werden, um Syntheserückstände (LiNO3) und Oberflächenspezies (Li2CO3) auf der Oberfläche zu detektieren. Zur verbesserten spektroskopischen Analyse der SEI-Schicht (Festelektrolyt-Grenzfläche) wird SHINERS (shell-isolated nanoparticle-enhanced Raman spectroscopy), unter Verwendung von Gold-Nanopartikeln, die mit einer dünnen SiO2- Schicht (Au@SiO2) beschichtet sind, verwendet. Es wird ein oberflächenverstärktes Raman-Signal von Li2CO3 bei 1090 cm-1 während des elektrochemischen Zyklierens intermediär beobachtet. Seine Bildung und Zersetzung unterstreicht die Rolle von Li2CO3 als Bestandteil der SEI-Schicht auf LiCoO2-Komposit-Kathoden. Die Ergebnisse zeigen das Potential von Raman-Spektroskopie zur Detektion der Grenzfläche zwischen Elektrode und Elektrolyt von Lithium- Ionen-Batterien unter Arbeitsbedingungen. Dies ermöglicht es, Beziehungen zwischen elektrochemischer Leistung und strukturellen Veränderungen zu etablieren.