In den 1990er Jahren wurden die vietnamesischen Immigranten:innen noch in vielen journalistischen Beiträgen als illegal, mafiös und brutal – „Zigaretten-Mafia“ oder „Verbrecher-Clans“ – dargestellt. Seit den 2000er Jahren herrscht – durch den großen evidenten Bildungsaufstieg vietnamesischer Kinder – eine wiederrum sehr idealisierte Neudeskription von Vietnamesen:innen in Deutschland vor. Diese positiv konnotierte mediale Darstellung führte dazu, dass sie im Diskurs um Probleme und Hindernisse im Migrationskontext vernachlässigt wurden und unbeachtet blieben. Viele Kinder ehemaliger vietnamesischer Kontraktarbeitende in der DDR – die so genannte 1.5 Generation – besitzen einen hohen Bildungshintergrund, was wiederum als „...Schlüssel für gesellschaftliche Partizipation, sozialen Aufstieg...“ definiert wird, welche jedoch nicht unbedingt erfolgen, nur weil strukturelle Bedingungen erfüllt sind. Sie sind aber ein relevanter Aspekt in diesem Prozess, was die Frage aufwirft, welche Indikatoren hierbei noch eine signifikante Rolle einnehmen? Es ist anzunehmen, dass die Sozialisationserfahrungen sowie die im Elternhaus kulturspezifisch praktizierten Parenting-Stile in der Prä- und Adoleszenzphase der Kontraktarbeiterkinder wichtige Faktoren dafür sind, um in deren Postadoleszenz gute Bildungs- und Integrationsprozesse zu fördern. Die Auseinandersetzung mit dem Sozialisationskontext und den Parenting-Stilen der Eltern ist essentiell, um die Komplexität des Parenting und dessen Auswirkung auf die Entwicklungsprozesse vietnamesischer Kontraktarbeiterkinder der 1.5 Generation zu verstehen. Anzunehmen ist auch, dass nicht nur strukturelle Faktoren gesellschaftspolitisches und soziokulturelles Leben in Deutschland ermöglichen, sondern dass hierbei auch Sozialisationskontext und Parenting-Stile eine wichtige Rolle einnehmen. Das primäre Ziel des Vorhabens dieser Arbeit im Rahmen einer Interviewstudie mit 23 Partizipierenden besteht darin, die Bedeutung von Sozialisationskontext und Parenting-Stilen der Elterngeneration für die Kindergeneration im Migrationskontext herauszuarbeiten. Im Zusammenhang mit der Migration in ein anderes Land stehen Immigranten:innen vor einer besonderen Herausforderung, nämlich die des Verlustes der Sozialstruktur, in welche die tradierten Parenting-Praktiken, -Stile und -Strategien eingebettet sind und begegnen einer neuen Kultur, in der diese Orientierungen in der Regel keine Gültigkeit haben und oft auch direkt hinterfragt werden (vgl. Ochocka/Janzen 2008: 86). Die vorliegende Arbeit intendiert, ein besseres Verständnis für Parenting im Kontext von Migration das sog. Immigrant Parenting zu schaffen und aufzuzeigen, mit welchen Herausforderungen für die Eltern das Aufziehen und Erziehen derer Kinder im Migrationskontext verbunden ist. Zudem ist sie ebenfalls als Beitrag zu einer anwendungsbezogenen Sozial- und Kulturanthropologie zu verstehen. Die Ergebnisse zeigen auf, dass Immigration auch mit einer Offenheit gegenüber verschiedenen soziokulturellen Eigentransformationsprozesse einhergeht, um eventuell einsetzende Akkulturationsschwierigkeiten bewältigen und überwinden zu können. Aufgrund der Immigration nach Deutschland und des Einflusses der westlich deutschen Kultur lassen sich große Bemühungen um Transformation, Modifikation und Inkorporierung neuer Parenting-Idealen und -Praktiken nicht nur bei der Erst-, sondern auch der Folgegeneration feststellen. Es kann konstatiert werden, dass sich Veränderungswille und Modifikationsbereitschaft als zwei essentielle Attribute identifizieren lassen, um Parenting im Migrationskontext bewerkstelligen zu können. Vietnamesisches Parenting in Deutschland ist ein sehr komplexer, umfassender, transkultureller und transgenerationaler Prozess, welcher sich nicht auf einen konkret identifizierbaren und spezifisch benennbaren Parenting-Stil reduzieren lässt, da mannigfaltige Aspekte hierbei mitberücksichtigt werden müssen, um diese multidimensionale Thematik adäquat adressieren zu können., In the 1990s, Vietnamese immigrants were still portrayed in many journalistic articles as illegal, mafia-like and brutal - "cigarette mafia" or "criminal clans". Since the 2000s, due to the evident rise of Vietnamese children in education, a very idealised new description of the Vietnamese in Germany has prevailed. This positive media portrayal led to them being neglected and ignored in the discourse on problems and obstacles in the context of migration. Many children of former Vietnamese contract workers in the GDR - the so-called 1.5 generation - have a high educational background, which in turn is defined as "...the key to social participation, social advancement...", which, however, does not necessarily happen just because structural conditions are met. It is, however, a relevant aspect in this process, which raises the question of which indicators still play a significant role here? It can be assumed that the socialisation experiences as well as the parenting styles practised culturally in the parental home during the pre-adolescence and adolescence phases of the children of contract workers are important factors in promoting good educational and integration processes in their post-adolescence. The examination of the socialisation context and the parenting styles of the parents is essential in order to understand the complexity of parenting and its impact on the developmental processes of Vietnamese contract workers' children of the 1.5 generation. It can also be assumed that not only structural factors enable socio-political and socio-cultural life in Germany, but that the socialisation context and parenting styles also play an important role. The primary aim of the project, within the framework of an interview study with 23 participants, is to work out the significance of the socialisation context and parenting styles of the parents' generation for the children's generation in the migration context. In the context of migration to another country, immigrants face a specific challenge, namely the loss of the social structure in which the traditional parenting practices, styles and strategies are embedded and experience a new culture in which these orientations are usually not valid and are often directly questioned (cf. Ochocka/Janzen 2008: 86). This paper aims to create a better understanding of immigrant parenting in the context of migration and to show the challenges of raising and educating children in migration contexts. Furthermore, it is also to be understood as a contribution to an applied social and cultural anthropology. The results show that immigration also goes hand in hand with an openness to different socio-cultural self-transformation processes so as to be able to cope with and overcome any acculturation difficulties that may arise. Due to immigration to Germany and the influence of Western German culture, great efforts to transform, modify and incorporate new parenting ideals and practices can be observed not only in the first generation of Vietnamese immigrants, but also in the following generation. It can be stated that the will to change and the willingness to modify can be identified as two essential attributes for parenting in a migration context. Vietnamese parenting in Germany is a very complex, comprehensive, transcultural and transgenerational process, which cannot be reduced to a concretely identifiable and specifically nameable parenting style, as manifold aspects must be taken into consideration in order to adequately address this multidimensional topic.