Folate sind als Überträger von C1-Fragmenten verschiedener Oxidationsstufen direkt an der Nukleinsäuresynthese beteiligt und spielen somit eine entscheidende Rolle im Zellstoffwechsel. So kann ein suboptimaler Folatstatus zur Ausprägung einer klinischen Symptomatik führen, die sich primär in Zellen mit hoher Teilungsrate manifestiert. Dabei gilt die megaloblastäre Anämie als Leitsymptom für einen akuten Folatmangel. Herausragende Bedeutung besitzen Folate in der Schwangerschaft, wo ihnen bei der Entwicklung des fetalen Nervensystems eine besondere Rolle zukommt. Bei einem zu niedrigen Serumfolatspiegel der Mutter steigt das Risiko für embryonale Missbildungen wie Neuralrohrdefekte stark an. Die weitere medizinische Relevanz der Folate steht momentan im Fokus der Forschung, wie z. B. der protektive Effekt in Bezug auf bestimmte Krebsformen, die Risikoreduktion für verschiedene kardiovaskuläre Erkrankungen sowie Zusammenhänge zwischen dem Folatstatus und neurologischen Störungen (Alzheimer, Depressionen). Allerdings kann Folat als essentielles Vitamin von Säugetieren nicht selbst synthetisiert werden, sondern muss aus externen Quellen über den Verdauungstrakt aufgenommen werden. Die Resorption aus dem Darm erfolgt nach aktuellem Kenntnisstand insbesondere über den Reduced Folate Carrier (RFC, SLC19A1) und den Proton-Coupled Folate Transporter (PCFT, SLC46A1). Trotz der Existenz dieser spezifischen Transporter ist der Folatmangel des Menschen der häufigste Vitaminmangel in Mitteleuropa. Er lässt sich durch eine ausschließlich ernährungsphysiologische Problematik nur unzureichend erklären. Interessanterweise besitzen sowohl das PCFT-Gen als auch das RFC-Gen in ihrer Promoterregion verschiedene Regulationselemente, unter anderem auch funktionell aktive DREs (Dioxin Response Element), die als Bindungsstelle für einen ligandenaktivierten Transkriptionsfaktor, den nukleären Arylhydrocarbon-Rezeptor (AhR), dienen. DREs wurden bisher hauptsächlich bei fremdstoffmetabolisierenden Enzymen wie z. B. Cytochrom P450-Isoenzymen gefunden und vermitteln bekanntermaßen die toxischen und karzinogenen Effekte von AhR-Liganden. Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang ubiquitär verbreitete Umweltkontaminanten wie die polyzyklischen und die halogenierten aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK, HAK), da sie in der Umwelt sehr persistent sind und sich dadurch in der Lebensmittelkette anreichern. Infolgedessen wurde im Rahmen dieser Studie der mögliche Einfluss von AhR-Liganden wie TCDD (2,3,7,8-tetrachlordibenzo-p-dioxin) und B[a]P (Benzo[a]pyren) auf die carriervermittelte intestinale Folatresorption beim Menschen untersucht sowie die Regulation der Transportproteine RFC und PCFT auf transkriptioneller Ebene experimentell überprüft. Als adäquates in vitro Modell diente dabei die humane Kolonzelllinie LS180, für die zunächst eine Charakterisierung erfolgte. Mittels RT-PCR wurde der Nachweis erbracht, dass alle am Folattransport beteiligten Import-und Exportcarrier auf mRNA-Ebene exprimiert werden. Für die Transportproteine RFC und PCFT erfolgte über den Western Blot auch der Nachweis auf Proteinebene. Die Funktionalität der AhR-Signalkaskade, die über methylcholanthrenartige Induktoren wie TCDD zur Induktion von Cytochrom P450 führt, konnte im Folgenden mittels Ethoxyresorufin-O-deethylase-Assay (EROD) überprüft werden. Es zeigte sich nach Induktion mit TCDD (0,01 - 10 nM) oder B[a]P (0,01 - 1 μM) über 12 – 96 h ein hochsignifikanter, dosis- und zeitabhängiger Effekt auf die Cyp1A1 vermittelte Enzymaktivität der Ethoxyresorufin-O-deethylase in den LS180-Zellen. Dabei konnten ligandenabhängige Unterschiede im Induktionsmuster ermittelt werden. Im Anschluss wurde im intestinalen Zellmodell die initiale konzentrations- und zeitabhängige Folataufnahme bei pH 5.5 über funktionelle Aufnahmeversuche mit Tritium-markierter Folsäure untersucht und charakterisiert. Sie stellte sich als aktiver, sättigbarer Prozess dar, wobei in den unbehandelten LS180-Zellen ca. eine Verdreifachung der intrazellulären Radioaktivität über einen Zeitraum von 2,5 min beobachtet werden konnte. Als kinetische Parameter wurden ein Km-Wert von 27,91 μM sowie ein Vmax-Wert von 281,2 pmol/min berechnet. Nachfolgende Untersuchungen mit den spezifischen Inhibitoren Raltitrexed (RTX) und Pemetrexed (PMX) konnten zeigen, dass sowohl PCFT als auch RFC an der funktionellen Folsäureaufnahme bei einem pH-Wert von 5.5 in dem gewählten Versuchsaufbau beteiligt sind. Der RFC scheint jedoch einen etwas höheren Anteil an der Gesamtaufnahme zu haben als der PCFT. In LS180-Zellen, die vorher mit den Modellsubstanzen TCDD (1 bzw. 10 nM) oder B[a]P (0,1 bzw. 1 μM) über 24 - 120 h inkubiert wurden, konnte eine zeit- und dosisabhängige, statistisch signifikante Reduktion der carriervermittelten Folatresorption beobachtet werden, wobei die maximale Verminderung der Aufnahmerate ca. 75 % betrug. Da sich dieser Effekt durch die AhR-Antagonisten Salicylamid (SAL) und CH-223191 (CH) dosisabhängig umkehren ließ, erfolgt die Regulation vermutlich über den AhR-Signalweg. Um den Mechanismus der Regulation zu klären, wurde mit Hilfe der quantitativen qRT-PCR unter Verwendung von TaqMan-Sonden die Genexpression von RFC und PCFT nach Vorbehandlung mit 1 - 10 nM TCDD oder 0,1 – 1 μM B[a]P über 12 - 120 h untersucht. Analog zu den Aufnahmeversuchen konnte hier eine zeit- und dosisabhängige Reduktion beider Transporter auf transkriptioneller Ebene beobachtet werden. Auch führte eine Vorbehandlung mit CH und SAL wiederum zu einer Umkehr des Effektes, wobei CH wahrscheinlich einen ligandenselektiven AhR-Antagonisten darstellt. Zusammenfassend konnte durch die vorliegende Arbeit nachgewiesen werden, dass Cytochrom P450-Induktoren über die AhR-Signalkaskade die carriervermittelte Folatresorption in humanen Kolonzellen herabregulieren. Es erscheint anhand der gewonnen Erkenntnisse möglich, dass die Folathomoöstase durch verschiedene Umweltkontaminanten wie z. B. TCDD negativ beeinflusst werden kann und als Folge daraus auch eventuell der Folatmangel der Bevölkerung in Industrienationen zumindest teilweise erklärbar wird. Es ist darüber hinaus denkbar, dass auch andere Fremdstoffe die Folataufnahme beeinflussen, da große planare Strukturen häufig über den AhR-Weg wirken. Weiterführende Studien sind notwendig, um das Verständnis für den Einfluss von Umweltkontaminanten auf die intestinale Folataufnahme zu verbessern.