1. Die Konstruktion der Gesellschaft aus dem Geist?
- Author
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Gunter Gebauer
- Subjects
Sociology and Political Science ,Social Psychology ,Philosophy ,Functional equivalence ,Humanities - Abstract
Philosophie und Soziologie beschreiben die Welt auf unterschiedliche Weisen, obwohl sie sich teilweise auf die gleichen Gegenstande zu beziehen scheinen. Am Beispiel von John Searle und Pierre Bourdieu werden verschiedenartige Denkweisen, die fur diese beiden Disziplinen typisch sind, exploriert. In Searles Sichtweise wird die soziale Welt aus intentionalen Akten konstruiert; diese konnen als besondere Sprechakte logisch formalisiert dargestellt werden. Mit Hilfe „kollektiver Intentionalitat“ werden aus „rohen“ Tatsachen gesellschaftliche Tatsachen konstruiert. Gegen die Searlesche Grundannahme einer aus geistigen Akten hervorgebrachten sozialen Wirklichkeit steht bei Bourdieu ein komplexes, in materiellen Handlungen fundiertes Zusammenspiel von Habitus und sozialer Praxis, die eine eigene Feldlogik besitzt. Insbesondere auf Grund der Vermittlungsleistung des Korpers verinnerlicht das Subjekt die Gesellschaft, die ihrerseits durch die Handlungen der Subjekte immer wieder von neuem erzeugt wird. Ebenso wie Bourdieu verwirft Searle den Gedanken, die sozialen Subjekte folgten bei ihrem regelhaften Handeln inneren Reprasentationen der Regelstruktur der sozialen Welt. Searle schlagt statt eines Regelfolgens eine neuartige Losung vor: Das handelnde Subjekt erzeugt mit seinem „Hintergrund“ Fahigkeiten und Fertigkeiten, die der Regelhaftigkeit der sozialen Welt funktional aquivalent sind. Das Konzept der funktionalen Aquivalenz lasst sich mit Gewinn auf den Habitus ubertragen. Fur die Beschreibung von „Hintergrund“ und Habitus muss der Regelbegriff aufgegeben werden, aber fur eine Kennzeichnung des normativen Aspekts sozialer Handlungen ist er nicht nur fur die Philosophie, sondern auch fur die Soziologie unverzichtbar.
- Published
- 2000
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