Gerhards, Jürgen, Kohler, Ulrich, Sawert, Tim, Gerhards, Jürgen, Kohler, Ulrich, and Sawert, Tim
In times of educational expansion, privileged families are looking for new strategies of distinction. Referring to Pierre Bourdieu’s theory of distinction, we argue that choosing Latin at school – a language that is no longer spoken and therefore has no direct value – is one of the strategies of privileged families to set themselves apart from less privileged families. Based on two surveys we conducted at German schools, the paper analyzes the relationship between parents’ educational background and the probability that their child will learn Latin. Results indicate that historically academic families have the strongest tendency towards learning Latin, followed by new academic families, and leaving behind the non-academic families. We distinguish between four causal mechanisms that might help to explain these associations: cultural distinction, selecting a socially exclusive learning environment, beliefs in a secondary instrumental function of learning Latin, and spatial proximity between the location of humanist Gymnasiums and the residential areas of privileged families. The hypotheses are formalized by means of Directed Acyclic Graphs (DAG). Findings show that the decision to learn Latin is predominately an unintended consequence of the selection of a socially exclusive learning environment. In addition, there is evidence that especially children from historically academic families learn Latin as a strategy of cultural distinction., In Zeiten der Bildungsexpansion sind sozial privilegierte Familien auf der Suche nach neuen Strategien der Distinktion, um ihre Kinder von denen bildungsferneren Elternhäusern abzugrenzen. Unter Bezugnahme auf Pierre Bourdieus Theorie der Distinktion argumentieren wir, dass die Wahl von Latein in der Schule – einer Sprache, die nicht mehr gesprochen wird und daher keinen direkten Nutzen hat – eine der Strategien privilegierter Familien ist, sich von weniger privilegierten Familien abzugrenzen. Auf der Grundlage von zwei an deutschen Schulen durchgeführten Umfragen analysieren wir den Zusammenhang zwischen dem Bildungshintergrund der Eltern und der Wahrscheinlichkeit, dass ihr Kind Latein lernt. Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder aus historisch akademischen Elternhäusern am häufigsten Latein lernen, gefolgt von sogenannten neuen akademischen Familien und – mit großem Abstand – von den nicht-akademischen Familien. Wir unterscheiden vier kausale Mechanismen, die zur Erklärung der gefundenen Zusammenhänge beitragen könnten: Kulturelle Distinktion im engeren Sinne, die Wahl eines sozial exklusiven Lernumfelds, der Glaube an eine sekundäre instrumentelle Funktion des Lateinlernens und die räumliche Nähe zwischen dem Standort humanistischer Gymnasien und dem Wohnort der Familie. Die Hypothesen werden mit Hilfe von gerichteten azyklischen Graphen (DAG) formalisiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Wahl von Latein in erster Linie eine unbeabsichtigte Folge der Wahl eines sozial exklusiven Lernumfelds ist. Darüber hinaus zeigen die Analysen, dass insbesondere historisch akademische Familien die Wahl von Latein als Strategie der kulturellen Distinktion einsetzen.