Punktdefekte in Halbleitern beeinflussen wesentlich die elektronischen Eigenschaften des Materials. Intrinsische Punktdefekte bestehen aus verschobenen Atomen des Gitters selbst und bilden im allgemeinen tiefe Störstellen, die Leitungselektronen oder Löcher einfangen können. Nichtparamagnetische intrinsische Zentren können, wenn sie nur in geringer Konzentration vorliegen, am besten durch radioaktive Sonden untersucht werden, die in die atomare Umgebung des Defektes plaziert werden. Der Zerfall eines radioaktiven Atoms, das substitutionell in das Halbleitergitter eingebaut ist, kann einzelne, isolierte Frenkelpaare erzeugen, falls die Rückstoßenergie der Neutrinoemission beim Zerfall eine materialspezifische Schwellenenergie überschreitet. Die Neutrinorückstoßmethode wird angewandt, um die Bildung von intrinsischen Punktdefekten in den beiden Verbindungshalbleitern InSb (n-typ) und CdTe (p-typ) zu untersuchen. Radioaktives Te wird in InSb über eine protoneninduzierte Reaktion implantiert, in CdTe über eine Schwerionenreaktion. Der folgende Zerfall des Te zum Sb überträgt auf das Atom eine Rückstoßenergie von 12eV, ein Wert, der gerade über den Schwellenenergien beider Halbleiter liegt, wie sie mit Elektronenstrahlexperimenten ermittelt worden sind. Der abschließende Zerfall führt zum 119Sn, das als Sondenatom für die Mößbauerspektroskopie ausgenutzt wird. Die Auswertung und Deutung der Experimente erfordern die Berücksichtigung aller verfügbaren Messparameter, nämlich der Hyperfeinparameter Isomerieverschiebung und Quadrupolaufspaltung sowie der Linienintensität als einem zeitabhängigen Parameter. Beide Materialien liefern völlig verschiedene Messergebnisse. InSb zeigt drei verschiedene Typen intrinsischer Punktdefekte, die vom Neutrinorückstoß erzeugt worden sind, nämlich ein Zwischengitterplatz und einen Gitterplatz auf jedem der beiden Untergitter mit benachbarter Leerstelle; demgegenüber zeigt CdTe nur einen neutrinorückstoßinduzierten Defekttyp, der von einem unerwartet großen Feldgradienten begleitet ist. Außerdem verursacht der substitutionelle Platz in CdTe eine beträchtliche Verzerrung seiner lokalen Umgebung, was als Folge eines Jahn-Teller-Effektes gedeutet werden kann. Darüber hinaus zieht in CdTe Sb intrinsischen Sauerstoff an, sobald es bei Temperaturen oberhalb von 600°C ausgeheilt wird, ein Vorgang, der sich in der Bildung von SnO2-Komplexen äußert., Point defects in semiconductors play an important role in governing the material's electronic properties. Intrinsic point defects consist of the displaced atoms of the lattice itself and in general form deep levels that act as trapping centers for conduction electrons or holes. Non-paramagnetic intrinsic centers in low concentrations are best accessible to investigation by radioactive probe atoms placed in the atomic neighbourhood of the defect. The decay of a radioactive atom, substitutionally incorporated into the lattice of the semiconductor, can produce a single isolated Frenkel-pair, if the recoil energy induced by the neutrino-emission accompanying the decay exceeds a certain threshold energy. The neutrino-recoil-method is used to investigate the formation of intrinsic point defects in the two compound semiconductors InSb (n-type) and CdTe (p-type). Radioactive Te is implanted into InSb via a proton-induced reaction, into CdTe via a heavy-ion reaction. The subsequent decay of Te to Sb transfers a recoil energy of 12eV to the atom, an amount that lies just above the threshold energies in both semiconductors as they have been obtained through electron-irradiation experiments. The following decay leads to 119Sn that is used as a probe atom for Mößbauer-spectroscopy. The analysis and interpretation of the experimental results require the consideration of all available measurement parameters, namely the hyperfine parameters isomer shift and quadrupole splitting as well as the line intensity as a time-dependent parameter. The results obtained in the two materials differ from each other fundamentally. InSb displays three different types of intrinsic point defects created by the neutrino recoil process, i.e. an interstitial site and a site on each of its sublattices with an adjacent vacancy, whereas CdTe shows only one, which is accompanied by an unexpectedly large field gradient. In addition, the substitutional site in CdTe induces a significant distortion of its local surrounding, that can be interpreted to be due to a Jahn-Teller- effect. Furthermore, within CdTe Sb attracts intrinsic oxygen when being anneald at temperatures well above 600°C, a process that exhibits itself in the formation of SnO2-complexes.