Veränderungen im Genom fördern die genomische Vielfalt zwischen Individuen und Spezies, können aber auch Fehlentwicklungen während der frühen Embryogenese hervorrufen. In den letzten Jahren konnte eindrücklich gezeigt werden, dass strukturelle Aberrationen (Deletionen, Duplikationen, Inversionen, Translokationen) für die Entstehung von verschiedenen Krankheiten und Fehlbildungen verantwortlich sein können. In dieser Arbeit wurden Patienten mit verschiedenen angeborenen Fehlbildungen der Extremitäten mittels hochauflösender Array-CGH untersucht, um genomische Aberrationen im Genom als mögliche Ursache für die Fehlbildungen zu detektieren. Da die Entwicklung des Skelettsystems bei Vertebraten ein sehr komplexer Prozess ist, der die Beteiligung und korrekte Interaktion einer Vielzahl an Signalmolekülen erfordert, stellen die Extremitäten ein gutes Modellsystem für die Untersuchung von zellulären Interaktionen und interzellulären Signalübertragungen dar. Fgf8, Shh und Ihh sind wichtige Signalmoleküle während der frühen Extremitätenentwicklung. Sie beeinflussen das distale Längenwachstum, die anterior-posteriore Musterausbildung und den Prozess der Verknöcherung (endochondrale Ossifikation). Konzentrations- oder Strukturänderungen von Molekülen, die während der Gliedmaßenentstehung von Bedeutung sind, können einzelne Signalwege in ihrer Aktivität so beeinflussen, dass Fehlentwicklungen von einzelnen Skelettelementen oder von der gesamten Extremität die Folge sind. In Projekt 1 wurden Patienten mit dem klinischen Erscheinungsbild einer Polysyndaktylie, einer Syndaktylie Typ IV (SD IV) sowie mit dem klinischen Erscheinungsbild des Laurin Sandrow Syndroms (LSS) auf genomische Aberrationen analysiert. Es konnten Duplikationen mit nicht- rekurrenten Bruchpunkten auf dem Lokus 7q36.3 nachgewiesen werden. Diese überlappenden Aberrationen befanden sich innerhalb der cis-regulatorischen Enhancer-Region (ZRS-Region) des SHH-Gens, das für die korrekte Expression von SHH während der Extremitätenentwicklung verantwortlich ist. Aus vorangegangenen Arbeiten ist bekannt, dass Punktmutationen, aber auch strukturelle Veränderungen innerhalb dieser Region, mit Handfehlbildungen (Polysyndaktylie und triphalangealer Daumen) assoziiert sind. Im Rahmen dieser Arbeit konnten weitere Handfehlbildungen mit einer Fehlexpression von SHH in Verbindung gebracht werden, sowie erstmalig die genetische Ursache für das LSS identifiziert werden. In Projekt 2 wurden Patienten mit einer Syndaktylie der Hände und Füße zum Teil in Kombination mit einer sagittalen Kraniosynostose (Kraniosynostose Philadelphia Typ) mit der Array-CGH Methode untersucht. Es konnten überlappende nicht-rekurrente Duplikationen detektiert werden, die am IHH-Lokus auf Chromosom 2 lokalisiert waren. Der Überlappungsbereich beinhaltete konservierte Regionen, für die in in vivo -Experimenten eine regulatorische Funktion gezeigt werden konnte. Diese Elemente induzieren eine mit dem Ihh-Wildtyp überlappende Expression des Reportergens in den Extremitäten und an den Schädelnähten. Es konnte erstmalig eine Enhancer- Region für Ihh ausfindig gemacht werden, die vermutlich die orthologe Region zu der ZRS-Region darstellt und für eine korrekte Expression von Ihh verantwortlich ist. Die Ergebnisse sprechen für eine wichtige Rolle von IHH während der Schädelentwicklung und erweitern die Bedeutung von IHH auf die desmale Ossifikation. Das Projekt 3 beschäftigte sich mit Patienten, die den klinischen Phänotyp der Ektrodaktylie in Kombination mit tibialen Defekten (SHFLD) aufwiesen. Eine Untersuchung von 17 Familien deckte überlappende Duplikationen auf dem Chromosom 17p13.3 mit nicht-rekurrenten Bruchpunkten auf. Der gemeinsame Überlappungsbereich, d.h. die kritische Region, beinhaltete das Gen BHLHA9, welches bis jetzt in seiner Funktion nicht näher definiert war. Das Expressionsmuster während der Embryonalentwicklung bei Mäusen, Hühnchen und Zebrafisch ergab eine extremitätenspezifische Expression in der Progresszone der Extremitätenknospe. In vivo Analysen dieses Gens im Modellsystem Zebrafisch zeigten dessen Relevanz während der Extremitätenentwicklung. Die Stammbaumanalyse der 17 Familien demonstriert eindrücklich das Vorliegen einer unvollständigen Penetranz und eine stark ausgeprägte Verschiebung des Geschlechterverhältnisses, eine sogenannte Geschlechterwendigkeit. Diese Beobachtungen lassen den Schluss zu, dass zusätzlich zu der Duplikation auf dem Chromosom 17p13.3 ein modifizierender Faktor benötigt wird. Um diesen Faktor zu identifizieren sind weiterführende Untersuchungen notwendig. Die Ergebnisse dieser Arbeit belegen, dass strukturelle Aberrationen für eine Vielzahl von angeborenen Fehlentwicklungen verantwortlich sind. Sie können, wie im Fall der Spalthand- Spaltfußfehlbildungen, die Funktionalität eines Gens direkt beeinflussen oder aber, wenn sie nicht-kodierende Bereiche des Genoms betreffen, durch die Veränderung von regulatorischen Elementen und der Interaktion zwischen Regulatoren und dem Zielgen, indirekt auf die Zielgene wirken., Genomic rearrangements lead to genomic diversity between individuals and species, however, they can also cause developmental defects during the early embryogenesis. In the last years structural variations (deletions, duplications, inversions, translocations) have been shown to cause human developmental defects such as limb malformations. The complex process of skeletal development in vertebrates needs a multitude of different signaling molecules, interacting in the right and specific manner. In this context, the limbs represent a good model to examine cellular interactions and intercellular communication. Signaling molecules like Fgf8, Shh and Ihh are very important during this process. They influence the proximal-distal outgrowth, the anterior-posterior patterning and the process of endochondral ossification. Changes in the concentration or structure of these signaling molecules can influence downstream pathways negatively and can cause malformations of single skeleton elements and the whole extremity. In this study patients with different congenital limb malformations were analyzed by high resolution array CGH for genomic aberrations i.e. deletions (losses) and duplications (gains). In the first project a patient cohort with the clinical phenotypes of polysyndactyly, syndactyly type IV (SD IV) and the Laurin- Sandrow syndrome (LSS) were analyzed. Duplications with non recurrent breakpoints were detected in all affected patients at the SHH locus on chromosome 7q36.3. These aberrations were encompassing the limb specific enhancer of SHH (ZRS) which promotes the expression of SHH during early limb development. It is known that point mutations but also structural aberrations at the ZRS region lead to limb malformations like polysyndactyly and the clinical phenotype of a triphalangeal thumb. We could show that a range of hand anomalies, including the LSS, are associated with microduplications most likely causing a misexpression of SHH. It was the first time that the genetic cause of LSS could be identified. The focus of the second project was on patients with syndactyly of the hands and feet partly in combination with sagittal craniosynostosis (craniosynostosis type Philadelphia). Non-recurrent duplications at the IHH locus were identified in all affected patients. The critical region contained highly conserved non-coding elements which have regulatory functions in limb as well as skull development as demonstrated by in vivo experimental approaches. The expression pattern of a reporter gene showed an overlapping expression pattern with the wildtype Ihh expression in the limb and skull sutures. It was the first time that an enhancer region for Ihh was identified which could represents the equivalent to the ZRS-region of Shh gene. Furthermore our results demonstrate the importance of Ihh not only during the endochondral ossification, but also in the process of desmal ossification. In the third project 17 families with ectrodactyly in combination with tibial defects (SHFLD) were analyzed by array CGH. All of the affected individuals carried non-recurrent duplications on 17p13.3 which overlap in a 9,1kb region containing a single gene BHLHA9. The function of BHLHA9 was so far unknown. RNA in situ hybridization for this gene in mouse, chicken and zebrafish showed an expression pattern within the progress zone of the limb bud. In vivo analyses of this gene by Morpholino knock-down in the model system zebrafish resulted in severe reduction of fin outgrowth, thus, revealing the functional relevance of Bhlha9 during early fin development. Based on the pedigrees of the 17 families an incomplete penetrance and a strong sex bias regarding the clinical phenotype were shown. One can speculate that in addition to duplications on chromosome 17p13.3 a modifying factor is needed for expressivity of phenotype. For this approach additional experiments are required. Based on these results it was further strengthened that genomic aberrations can cause a number of different congenital malformations. These aberrations can alter the function of one gene in a direct way (like in our patient cohort with SHFLD) or can influence the regulatory function of enhancer elements. Such aberrations are located within conserved noncoding regions and can influence the right interaction between the enhancer-element and its target gene.