1. Kann die Subalterne zahlen? Die kolonialen Wurzeln der Finanzialisierung sozialer Reproduktion in Indien
- Author
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Shah, Anil and Shah, Anil
- Abstract
Unter dem Begriff der finanziellen Inklusion hat sich im vergangenen Jahrzehnt ein internationales Entwicklungsprojekt der Armutsbekämpfung herausgebildet, das darauf abzielt, Menschen ohne Bankkonto (unbanked) über Kredite und andere Finanzdienstleistungen in das globale Finanzsystem zu integrieren. Aus politökonomischer Perspektive wird die Rhetorik der finanziellen Inklusion unter anderem dafür kritisiert, dass sie die Finanzialisierung sozialer Reproduktion verschleiert, in der (a) die unbanked zu einem neuen Marktsegment für internationale Kapitalmärkte werden und (b) Haushalte mit geringen und unsicheren Einkommen ihre prekarisierten Lebensverhältnisse zunehmend durch Verschuldung organisieren müssen. Der Beitrag knüpft an diese Kritik an der neoliberalen Entwicklungspolitik an und erweitert sie um eine materialistisch-postkoloniale Reflexion, die die historische Verwobenheit von Verschuldung subalterner Klassen, Kolonialherrschaft und kapitalistische Entwicklung am Beispiel Indiens untersucht. Er zeigt, dass die finanzielle Inklusion/Exklusion ab dem 19. Jahrhundert Resultat einer strukturellen Subsistenzkrise war, welche sowohl durch die britische Kolonialherrschaft als auch durch kapitalistische (Klassen-)Verhältnisse entscheidend geprägt wurde., In the past decade, financial inclusion has emerged as leading the international development paradigm to tackle poverty. It seeks to integrate all unbanked (adults) into the global financial system through credit and other financial services. From a political economy perspective, the rhetoric of financial inclusion has been criticised, among other things, for masking the financialisation of social reproduction in which (a) the unbanked become a new market segment for international capital and (b) households with low and insecure incomes must increasingly organise their precarious living conditions through debt. This paper builds on the critique of neoliberal development policy and supplements it with a materialist-postcolonial lens that examines the historical interconnectedness of the indebtedness of subaltern classes, colonial rule, and capitalist development in the context of India. It shows that financial inclusion/exclusion from the 19th century onwards was the response to a structural subsistence crisis that was decisively shaped by both British colonial rule and capitalist (class) relations.
- Published
- 2021