Im Sommer und Herbst 2011 wurden bei Milchkuhen aus dem Nordwesten der Niederlande und aus Nordrhein-Westfalen in Deutschland unspezifi sche Krankheitssymptome wie wassriger Durchfall, Fieber und Milchleistungsruckgang beobachtet, welche nach wenigen Wochen wieder abklangen. Bei den Abklarungen auf bekannte Viren konnte keine Krankheitsursache ermittelt werden. (Garigliany et al., 2012, Muskens et al., 2012). Beginnend im Dezember des folgenden Winters traten, uber ganz Deutschland und Holland verteilt, leichte bis schwerwiegende Missbildungen bei neuund totgeborenen Lammern und Kalbern auf. Die Muttertiere zeigten weder bei der Trachtigkeit noch bei der Geburt die oben beschriebenen Symptome. Unter den festgestellten Missbildungen waren Arthrogrypose, Torticollis, Skoliose, Kyphose, Brachygnathia inferior und eine unterschiedlich ausgepragte Hypoplasie des Grossund Kleinhirns und des Ruckenmarks haufi g (van den Brom et al., 2012). Im November 2011 wurde am Friedrich-Loffl er-Institut (FLI) in Deutschland eine Metagenom-Analyse der aus Plasmaproben isolierten DNA und RNA von im Oktober 2011 erkrankten Kuhen durchgefuhrt und ein fur Europa neuartiges Orthobunyavirus detektiert (Hoffmann et al., 2011). Der Erreger wurde nach der Herkunft der Proben Schmallenberg-Virus genannt. Das Virus wurde in der Folge auch in den missgebildeten Kalbern und Lammern nachgewiesen (Bilk et al., 2012). Beim neu entdeckten Virus handelt es sich um ein RNAVirus aus der Simbu-Serogruppe, welcher viele verschiedene sogenannte Arboviren (arthropod-borne viruses) angehoren. Phylogenetisch nahverwandte Viren («Shamonda-like»-Viren, z. B. Akabane), welche ebenfalls kongenitale Missbildungen und neurologische Veranderungen bei Rindern und kleinen Wiederkauern verursachen, sind in Afrika, Asien und Ozeanien schon seit Jahrzehnten bekannt (Al-Busaidy et al., 1987, Sellers et al., 1981). Die Ubertragung der Schmallenberg-Viren erfolgt durch den Stich von Gnitzen (Culicoides) und eventuell von Stechmucken sowie transplazentar (Rasmussen et al., 2012; van den Brom et al., 2012). Das Virus lasst sich nicht durch direkten Kontakt von Tier zu Tier zu ubertragen. Nach aktuellem Wissensstand sind Rinder, kleine Wiederkauer, aber auch Hirsche, Rehe, Alpakas und Muffl ons furs das Virus empfanglich (EFSA, 2012). Nach einer Infektion mit dem Schmallenberg-Virus konnen Rinder unspezifi sche Symptome wie Fieber, Durchfall, Appetitlosigkeit und einen massiven Milchleistungsruckgang bis auf die Halfte der Ausgangsleistung zeigen. Die sehr kurze Viramie dauert nur 1 bis 6 Tage, und die Symptome klingen innerhalb weniger Tage wieder ab. Bei adulten Ziegen und Schafen sind bisher nur in seltenen Fallen Symptome bekannt (Lievaart-Peterson et al., 2012). Ungefahr 10 Tage spater wurden Antikorper im Serum nachgewiesen (Hoffmann et al., 2012). Kommt es wahrend der Trachtigkeit von Rindern, Schafen und Ziegen zu einer Infektion des Muttertieres, so kann das Virus auf den Fotus ubertragen werden. Je nach Trachtigkeitsstadium kann die Infektion des Feten zu Abort, Fruhoder Totgeburt fuhren sowie schwerwiegende Missbildungen und Storungen des Zentralnervensystems verursachen. Diese Missbildungen werden als «Arthrogrypose-Hydranencephalie-Syndrom» (AHS) zusammengefasst und sind typisch fur Infektionen mit Viren aus der Simbu-Serogruppe. (OIE technical factsheet und Kurogi et al., 1977).