Zu den Strategien des Anderen gegen eine vorherrschende Dominanz des Subjektes gehört tendenziell die Beschädigung des eigenen Körpers. Dabei führt die absichtliche körperliche Beschädigung zur Herstellung einer eigenen Identität im Widerstand gegen die Macht des Subjektes. Diese spezifische Erkenntnis über den Körper drückt sich oft in den kolonialen Erfahrungen der koreanischen Gesellschaft aus. Die Existenz des ,Ichs‘ kann nämlich als der Leib an sich bezeichnet werden, welcher sich auf das Wesen der Subjektivität (Merleau- Ponty) bezieht. Gleichzeitig ist der Körper selbstreferentiell und seine Selbstreferentialität drückt sich als Subjektivität in der Aufführung und im theatralen Raum aus (Fischer-Lichte). Die Hervorbringung der Körperlichkeit des Anderen betrifft somit seine eigene Identität. Der Komponist Isang Yun hybridisiert in seinen Werken die autochthonen Elemente Koreas mit dem Rahmen der europäischen Opernkunst. Bei dieser Hybridisierung sind insbesondere jene Phänomene relevant, die auf den theatralen, kulturellen und gesellschaftlichen Traditionen Koreas beruhen. Es handelt sich hierbei um Sigimsae, Dochang, Chuimsae und Aniri aus Pansori und Changgeuk als Elemente des traditionellen koreanischen Musiktheaters. Diese phänomenalen Elemente zeichnen sich durch eine Körperlichkeit der Töne und des Rhythmus’ aus und sie treten hervor im Performativen der Notation, im Rhythmus der schamanistischen Rituale sowie in der Gestaltung der musikalischen Erscheinung. Insbesondere die dargestellte Körperlichkeit von autochthonen Tieren, die als Schutzgeister bzw. Schutzgötter in einem alten Grabfresko in Nord-Korea auftreten, inspirierte Yun zu seinen Werken. Seine Musik an sich erscheint als ein Verfahren der Wiederherstellung der Identität des Anderen aus Sicht der epistemischen Körperlichkeit. Die unsichtbare, aber spürbare Leiblichkeit innerhalb des musikalischen Spiels wirkt sich auf die dekoloniale Strategie für das Andere im theatralen Raum aus. Diese Unsichtbarkeit agiert frei und grenzenlos im Verhältnis zwischen dem Subjekt und dem Anderen. Der Uraufführung von Yuns Oper Sim Tjong anlässlich der Münchner Olympiade 1972 folgten im westlichen Raum keine weiteren Aufführungen. 27 Jahre nach der Münchner Uraufführung inszenierte der koreanische Regisseur Ho-Geun Moon Yuns Oper Sim Tjong in Seoul. Moons Inszenierung intendierte die Integration verschiedener indigener Elemente der traditionellen koreanischen Kultur und Gesellschaft auf der Opernbühne. Dabei handelte es sich um die folgenden Elemente: schamanistische Rituale, eine körperliche Kollektivität des Chores, das Hervorrufen von Widerstand anhand eines leeren Platzes (Madanggeuk) und das Synkretistische innerhalb der Menschheit. Im Mittelpunkt der Aufführung stand somit die Wiederherstellung der Identität des Anderen. Interessanterweise reagierte das koreanische Publikum auf die Aufführung mit Befremden und blieb relativ inaktiv. Die Reaktionen des westlichen Publikums waren im Vergleich dazu sehr aktiv und positiv (Kunz). Diese gegensätzlichen Reaktionen der Zuschauer lassen sich als eine Art Befreiung von einem Arsenal an Komplexen deuten (Fanon). Sie können auf die koloniale Situation und den Konsens des Anderen mit dem Subjekt (Gramsci) bezogen werden. Die entgegengesetzten Reaktionen der westlichen und koreanischen Zuschauer verdeutlichen auch die Auswirkungen hegemonialer Macht in Bezug auf das Operntheater in einem bestimmten kulturellen Raum. Anhand Isang Yuns Werk kann somit festgestellt werden, dass dekoloniale Absichten (ob die Yuns oder die Moons) bei der Integration der Körperlichkeit des Anderen in die indigenen Elemente nicht immer realisierbar sind. Dies betrifft vor allem die verborgene aber anhaltend vorherrschende Macht zwischen Rezipienten und Rezipierenden im kulturellen Territorium, welche sich ähnlich gestaltet wie die des Subjektes mit dem Anderen. In diesem Sinne wird nachvollziehbar, dass Isang Yuns Oper Sim Tjong interkulturelle und dekoloniale Eigenschaften besitzt. Das erscheint zwar zunächst ambivalent, letztlich jedoch lässt sich feststellen, dass es in Yuns Opernschaffen und dessen Aufführungen um ein wiederherzustellendes Verhältnis des ,Sowohl-als- auch‘ und des ,Weder-noch‘ geht., Harm towards one’s own body tends to pertain to the strategies, used by the Other, against the Subject’s dominance. In this way, deliberate bodily harm leads to the establishment of an own identity in the resistance against the power of the Subject. This specific finding, about the body, often manifests itself in the experience of Korean society with colonialism. The existence of the ‘I’ can be designated namely as the body proper, which relates to the essence of subjectivity (Merleau-Ponty). The body is, at the same time, self- referential, and its self-referentiality manifests itself as subjectivity in performance and in theatrical space (Fischer-Lichte). Consequently, the production of the corporeality, of the Other, concerns its own identity. The composer, Isang Yun, incorporates autochthonous Korean elements within the frame of European opera as a hybrid in his work. With this hybridization, those phenomena, which are based on Korean theatrical, cultural, and social traditions, are of particular relevance. Here, reference is being made to sigimsae, dochang, chuimsae, and aniri, from pansori and changgeuk, as the elements of traditional Korean music theatre. These phenomenal elements are characterized by a corporeality of sounds and rhythms; and they stand out because of the performativity of their notation, the rhythm of shamanistic rituals, as well as the form of the music when manifest. The corporeality of autochthonous animals as guardian spirits or deities, represented in an ancient tomb fresco in North Korea, particularly inspired Yun in his work. His music appears, in itself, as a process to reconstitute the Other’s identity from the standpoint of epistemic corporeality. The invisible though tangible corporeality within the musical play has an effect on the decolonial strategy, of the Other, within theatrical space. This invisibility acts freely and without bounds within the relationship between the Subject and the Other. In the West, no further productions have followed the world premiere of Yun’s opera, Sim Tjong, on the occasion of the 1972 Munich Olympics. Twenty-seven years after its Munich premiere, the Korean director, Ho-Geun Moon, staged Yun’s Sim Tjong in Seoul. Moon’s staging was intended to integrate various indigenous elements of traditional Korean culture and society onto the opera stage. This was in regards to the following elements: shamanistic rituals, the corporeal collectivity of the chorus, the evocation of resistance by means of an empty space (madanggeuk), and the syncretism within humanity. In so doing, the reconstitution of the Other’s identity was at the production’s center. Interestingly, the Korean audience reacted to the performance with disconcertion and remained relatively inactive. By comparison, the reactions of the Western audience were rather active and positive (Kunz). These opposing reactions of the spectators may be construed as a kind of liberation from an arsenal of complexes (Fanon). They can be related to the colonial situation and the Other’s consensus with the Subject (Gramsci). The contradictory reactions of the Western and Korean spectators also makes the effects of hegemonic power in relation to opera, within a particular cultural space, clear. By using Isang Yun’s work, it can be asserted that decolonial trends (whether those of Yun or Moon) cannot always be realizable through the integration of the Other’s corporeality with indigenous elements. This pertains above all to the concealed but ongoing, prevailing power within cultural terms between recipient and beholder, which is structured similarly to the relationship of the Subject with the Other. In this sense, it is understandable that Isang Yun’s opera, Sim Tjong, possesses intercultural and decolonial properties. To be sure, this initially appears ambivalent; however, it can be ultimately established that Yun’s operatic works and their staging are a matter of a relationship between ‘as-well-as’ and ‘neither-nor’.