Die Parkinson-Krankheit ist nach der Alzheimer-Krankheit (AD) die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung des Menschen weltweit. In den letzten Jahren konnten bei der Erforschung der genetischen Ursachen der Parkinson-Krankheit mit der Entdeckung von 18 PARK-Loci und mehr als 20 weiteren Suszeptibilitätsgenen große Fortschritte erzielt werden. Bei weiterführenden funktionellen Studien fand man heraus, dass mehrere der enkodierten Genprodukte (u.a. PINK1, Parkin und DJ-1) eine wichtige Rolle bei der mitochondrialen Qualitätskontrolle spielen (Exner et al., 2007; Krebiehl et al., 2010; Grünewald et al., 2010; Irrcher et al., 2010). Das mitochondriale Hitzeschockprotein mtHsp70, auch Mortalin genannt, wurde als Interaktionspartner dieser Proteine identifiziert (Jin et al., 2007; Li et al., 2005; Yang et al., 2011; Rakovic et al., 2011; Davison et al., 2009; Burbulla, Schelling et al., 2010b). Es ist ein mitochondriales Chaperon, das durch die Bildung des Tim44/mtHsp70-Komplex mit der Translokase der inneren Mitochondrienmembran direkt am Proteinimport in die Mitochondrien beteiligt ist (Schneider et al., 1994; Liu et al., 2003; D’Silva et al., 2004). Es ist das einzige Protein des mitochondrialen Import-Komplexes, das eine ATPase-Funktion besitzt, und ist damit unentbehrlich für den effektiven Import von nukleär kodierten Proteinen in das Mitochondrium (Schneider et al., 1994; Brunner et al., 1995). Mortalin stellt durch seine Chaperonfunktion die richtige Faltung von neuen in das Mitochondrium transportierten, kernkodierten Proteinen sicher (Übersicht in Voos und Röttgers, 2002). Da die mitochondriale Dysfunktion bei der Pathogenese der Parkinson-Krankheit eine entscheidende Rolle spielt, stellte das mitochondriale Hitzeschockprotein Mortalin ein geeignetes Kandidaten-Gen für eine Mutationsanalyse dar. Nach Amplifizierung der 17 kodierenden Exons und angrenzender Intron-Abschnitte des Mortalin-Gens wurde die Mutationsanalyse mit Hilfe der denaturierenden Hochleistungsflüssigkeitschromatographie durchgeführt. Untersucht wurden DNA-Proben von 286 Patienten, die entweder an einem klinisch gesicherten idiopathischen oder familiären Parkinson-Syndrom erkrankt waren, sowie von 290 Kontrollpersonen, die in der Alters- und Geschlechtsverteilung weitestgehend auf das Patientenkollektiv abgestimmt waren. Jede Person der beiden Gruppen war einer standardisierten neurologischen Untersuchung unterzogen worden, um erste klinische Zeichen der Parkinson-Krankheit oder andere extrapyramidale Erkrankungen auszuschließen. Die in der DHPLC auffälligen Proben wurden mit Hilfe der zyklischen DNA-Sequenzierung überprüft. Es wurden dabei ein kodierender Basenaustausch in Exon 12, vier nicht-kodierende Basenaustausche sowie sieben intronische Veränderungen gefunden. Wo es möglich war, wurden die gefundenen DNA-Veränderungen durch einen Restritkionsverdau als zweite, unabhängige Methode bestätigt. Der heterozygote Basenaustausch c.1426G>A in Exon 12, der einen Aminosäurenaustausch von Alanin zu Threonin an Position 476 des Mortalin/GRP75-Proteins zur Folge (Ala476Thr) hat, war bisher in der Literatur unbekannt. Die vier nichtkodierenden Basenaustausche in Exon 4, 8, 9 und 16 waren bereits in der NCBI-Datenbank bekannt, ebenso vier der intronischen DNA-Veränderungen. Weiterführende funktionelle Studien haben gezeigt, dass Mortalinvarianten (sowohl die hier gefundene Ala476Thr, als auch die beiden von de Mena und Kollegen gefundenen Arg126Trp und Pro509Ser (De Mena et al., 2009)) zwar an ihren Wirkungsort gelangen, ihre protektive Funktion in der mitochondrialen Matrix aber nicht richtig erfüllen können. Diese funktionellen Einschränkungen gingen mit einem gestörten Aufbau des mitochondrialen Netzwerks einher, was auch in Fibroblasten eines heterozygoten Trägers der Ala476Thr-Mutation nachgewiesen werden konnte (Burbulla, Schelling et al., 2010b) Ob Mutationen im Mortalin-Gen als Suszeptibilitätsfaktor für die sporadische Form der PK gelten können, werden weitere Untersuchungen zeigen müssen. Zumindest wiesen bereits eine beachtliche Anzahl genomischer Untersuchungen übereinstimmend einen Suszeptibilitätslokus für die Parkinson-Krankheit auf dem langen Arm von Chromosom 5 nach, der den Lokus für das Mortalin-Gen 5q31.1 einschließt (Hicks et al., 2002; Scott et al., 2001; Pankratz et al., 2003; Martinez et al., 2004).