1. Schellings Magisterdissertation im Kontext der theologischen Debattenlage der Zeit
- Author
-
Arnold, Christopher
- Abstract
Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich mit der 1792 am Tübinger Stift in Württemberg entstandenen Magisterdissertation Johann Friedrich Wilhelm Schellings, „de malorum origine“. Der junge Student Schelling widmet sich darin der Frage nach dem Ursprung menschlichen Übels anhand einer Neubestimmung der Erzählung des Sündenfalls von Gen. 3. Methodisch nimmt Schelling dazu zunächst eine Exegese der Perikope vor, um dann nach deren Sinn und zuletzt nach deren philosophischer Wahrheit zu fragen. Die Untersuchungen in dieser Arbeit folgen dieser Struktur, es wird lediglich eine historische Einleitung vorangestellt. Diese zeigt die Einwirkungen der deutschen und französischen Aufklärungsliteratur in politischer bzw. theologisch-philosophischer Hinsicht zur Revolutionszeit um 1790 auf die Tübinger Studentenschar, zu der auch Schelling zählte. Württemberg stand im Kontrast zu diesen Einflüssen unter absolutistischer Herrschaftsstruktur, religionsgeschichtlich war das Land vom schwäbischen Pietismus dominiert. Nach dieser historischen Einleitung werden in dieser Arbeit die einflussreichsten theologischen und philosophischen Strömungen des 18. und Teilen des 17. Jahrhunderts dargestellt, deren Zentren vor allem in Deutschland, England und Frankreich angesiedelt waren. Im Besonderen werden dabei diejenigen Positionen der Entwicklungsgeschichte der hist.-krit. Exegese rekonstruiert, welche für Schellings allgemeines Schriftverständnis sowie die konkrete Exegese von Gen. 3 f. bestimmend waren. Nach diesen Voraussetzungen für Schellings Neubestimmung des Sündenfalls werden die dafür maßgeblichen Schriften der philosophischen Aufklärung in den Blick genommen, vor allem jene Kants und Lessings. Anhand dieser Untersuchungen wird Schellings Magisterdissertation einer inhaltlichen Auswertung unterzogen und mit der klassischen Deutung des Sündenfalls verglichen, die bis zur Epoche der Aufklärung wesentlich von Augustins Erbsündenlehre bestimmt war. Schelling bestimmt in seiner Arbeit den Sündenfall in Gen. 3 zunächst als Mythos, der den Austritt des Menschen aus einem ursprünglichen absoluten Glückszustand beschreibt. Die exegetischen Voraussetzungen und Bezugspunkte für diese Sicht findet Schelling in den Arbeiten von Theologen aus dem Umfeld der Neologie sowie der sogenannten „mythischen Schule“. Im Anschluss an diese Sinnerhebung der Paradiesgeschichte, wie Schelling es nennt, folgt er seinem Vorsatz, auch die philosophische Wahrheit des Sündenfalls auszuarbeiten. Dazu bestimmt er zuerst den Sündenfall als Erwachen der Vernunft im Menschen im Kontrast zu seiner triebhaften sinnlichen Seite und deren wechselseitiges Missverhältnis. Dieser Vorgang wird trotz seiner Folgen, nämlich dem Auftreten aller selbstverschuldeten sowie von außen auf den Mensch kommenden Übel (malum morale und malum physicum), positiv beurteilt. Dies begründet Schelling im anschließenden geschichtsphilosophischen Entwurf, den er im letzten Kapitel seiner Magisterdissertation konzipiert. Er beschreibt darin den Sündenfall als Ausgangspunkt für die Entwicklung der Vernunft als eine ständige Emanzipation von der Sinnlichkeit des Menschen anhand der Stufen kultureller und geistesgeschichtlicher Errungenschaften. Der letzte Schritt dieses Fortgangs wäre erreicht, wenn die Vernunft im Menschen letztendlich völlig dominiert, sie wird bestimmt als eine Ära moralischer Vollkommenheit. Dieses Zeitalter steht freilich noch aus.
- Published
- 2008
- Full Text
- View/download PDF