1. In-vivo Modulation der Nahrungsmittel-bezogenen Salienz dopaminerger Mittelhirnneurone durch Glucose
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Endres, Felix Stefan Johannes, Grön, Georg, and Adolph, Oliver
- Subjects
Ventrale tegmentale Area ,Overweight ,Glucose ,Reward ,Funktionelle Kernspintomografie ,Fettsucht ,Magnetic resonance spectroscopy ,ddc:610 ,Obesity ,DDC 610 / Medicine & health ,Salienz ,Ventral tegmental area ,Belohnung ,Übergewicht - Abstract
Ein wichtiger Teil des Belohnungssystems ist die ventrale tegmentale Area (VTA). Sie spielt eine entscheidende Rolle in der Entstehung von Sucht und Suchtverhalten. Die VTA besteht vor allem aus dopaminergen Neuronen, die zu unterschiedlichen Hirnregionen projizieren, u.a. zum Nucleus accumbens, aber auch aus γ-Aminobuttersäure (GABA)ergen Neuronen, die v.a. einen inhibitorischen Effekt auf die Aktivität der dopaminergen Neurone der VTA haben. Afferent wird die VTA ebenfalls von mehreren Hirnregionen beeinflusst, u.a. von der Amygdala und dem lateralen Hypothalamus. Weiter zeigte sich in Tiermodellen, dass die dopaminergen Neurone der VTA, ähnlich der hypothalamischen Neurone, durch Glucose inhibierbar sind. Dabei wurden mehrere mögliche Mechanismen aufgezeigt, die für diesen Effekt verantwortlich sein könnten. Neben der metabolischen Regulation wird die VTA auch über verschiedene Hormone, wie zum Beispiel den Appetit zügelnden Hormonen Leptin und Insulin oder von dem Appetit steigernden Hormon Ghrelin, moduliert. Eine in der Literatur diskutierte Annahme ist, dass die Aufgabe der dopaminergen Neurone des Mittelhirns darin besteht, die Differenz aus Belohnung und zu erwartender Belohnung zu erfassen. So kodieren diese Neurone für den sogenannten „reward prediction error“. Dies lässt sich ausnutzen um die VTA anhand geeigneter Reize zu aktivieren. In mehreren Studien wurde gezeigt, dass die VTA durch die visuelle Präsentation von hoch- und nieder-kalorischen Nahrungsmitteln aktiviert werden kann. Verhaltensexperimente zeigten weiter, dass diese Aktivierung der dopaminergen Neurone durch diese salienten Reize das Verlangen nach dem Reiz, das sogenannte „wanting“, über die mesolimbische Bahn verstärken. Eine Möglichkeit die Aktivität der dopaminergen Neurone der VTA zu inhibieren, könnte dazu führen, das „wanting“-Verhalten zu unterdrücken und so beispielsweise Suchterkrankungen besser behandeln zu können. Ein Mechanismus könnte die Modulation durch Glucose darstellen. Unseres Wissens nach konnte bisher noch nicht gezeigt werden, wie sich Glucose auf die Aktivität der VTA bei salienten Reizen im Menschen auswirkt. Ziel dieser Arbeit war es daher, den Einfluss von Glucose auf die dopaminergen Neurone der VTA im Menschen zu untersuchen. Die Hypothese war, dass eine Infusion von Glucose die Aktivität der VTA hemmen würde. Methodisch wurde der Fragestellung unter Einsatz der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) nachgegangen. Zur Aktivierung der VTA wurden den Probanden Bilder von hoch- und niedrig-kalorischen Nahrungsmittel gezeigt, von denen bekannt ist, dass sie eine differentielle Steigerung der Aktivierung dopaminerger VTA-Neurone und nachgeschalteter Kerngebiete des dopaminergern Belohnugssystem bewirken. Die Aktivität der VTA wurde dabei ohne bzw. nach einer venösen Infusion von 10g Glucose gemessen. Die Analyse der funktionellen Bildgebung zeigte, dass die neuronale Aktivität in der VTA und im Hypothalamus signifikant von der Glucoseinfusion moduliert wurde. Ohne Glucosebehandlung zeigte sich durchweg ein differenzielles Aktivierungsmuster für die VTA, bei der hoch-kalorische Reize mehr Aktivität in der VTA induzierten als nieder-kalorische Reize. Durch die Glucosebehandlung reduzierte sich die Aktivität der VTA auf hoch-kalorische Reize signifikant im Vergleich zur Kontrollgruppe. Für niedrig- kalorische Reize erhöhte sich die Aktivität der VTA durch die Glucosebehandlung, bis es zur Inversion der hoch-kalorisch (HC) - niedrig-kalorisch (LC) Differenz kam. Für den Hypothalamus zeigten sich ähnliche Ergebnisse. Auch die Analyse der Reaktionszeiten, als Marker für die Verhaltensrelevanz der bildgebenden Daten, zeigten vergleichbare Ergebnisse. So konnten wir unseres Wissens das erste Mal am Menschen in-vivo zeigen, dass eine Glucosebehandlung die Aktivität auf hoch-saliente Reize reduziert. Der genaue Mechanismus bleibt jedoch weiter ungeklärt. Möglich wäre die direkte Wirkung der Glucose auf die Neuone der VTA; entweder über die Inhibierung der dopaminergen Neuron oder die Aktivierung der GABA-ergen Neurone. Des Weitern könnten auch vorgeschaltete Hirnstrukturen, wie z.B. der Hypothalamus, der ein ähnliches Aktivitätsmuster zeigte, über direkte Verbindungen die VTA beeinflussen. Eine weitere Möglichkeit, die durch das Experiment nicht ausgeschlossen werden kann ist die indirekte Inhibierung der VTA durch die Beeinflussung der Hormonspiegel für Ghrelin, Leptin und Insulin durch die Glucoseinfusion, wobei jedoch die Glucose vermittelte Ghrelin-Modulation wahrscheinlicher ist als die Modulation von Leptin und Insulin. Als Nächstes müsste gezeigt werden, dass sich die Modulation des VTA durch Glucose auch auf das Verhalten der Probanden auswirkt und und das sogenannte „wanting“- Verhalten auf hoch-saliente Reize unterdrückt. Einen Hinweis darauf ergab die Analyse der Reaktionszeiten der Probanden auf die präsentierten Stimuli. Eine Limitation der Studie ist sicher der nahe Zusammenhang zwischen Behandlungsmethode und Stimulusklasse. Deshalb wäre es sinnvoll die Ergebnisse auf andere Stimulusklassen wie z.B. Rauchen oder Alkohol in einer randomisierten doppelverblindeten Placebo-kontrollierten Studie zu übertragen. Dabei könnten unter anderem auch verhaltensmodulierende Aspekte genauer untersucht werden und eine engmaschige Messung der Hormone Ghrelin, Leptin und Insulin in das Studiendesign mit aufgenommen werden.
- Published
- 2019