1. Definierte alkalimetallorganische Reagenzien: Vom Einfluss der Alkalimetalle Natrium bis Cäsium in der organischen Synthesechemie
- Author
-
Brieger, Lukas, Strohmann, Carsten, and Däschlein-Gessner, Viktoria
- Subjects
Alkalimetall ,Alkalimetalle ,Organometallchemie ,Synthese ,Organometallverbindungen - Abstract
Die Alkalimetalle Natrium bis Cäsium bieten gegenüber Lithium einige Vorteile, die vor allem in den letzten zehn Jahren entdeckt und in verschiedensten organischen Transformationen genutzt wurden. Die Studien der vorliegenden Arbeit konnten erweiternde Erkenntnisse über die Chemie der schweren Homologe des Lithiums aufzeigen. In Anlehnung an das Konzept der „Alkali Metal Mediation Chemistry“ gelang es, eine selektive Synthese neuer organometallischer Metallierungsreagenzien in Form von THF-solvatisierten Alkalimetallbenzylverbindungen der Metalle Natrium, Rubidium und Cäsium zu entwickeln und damit die Reihe dieser Verbindungsklasse zu vervollständigen. Diese Reagenzien zeichnen sich durch einen Kompromiss zwischen Reaktivität und Stabilität aus und können als Werkzeug für die Einführung der verschiedenen Alkalimetalle genutzt werden, womit sie eine ernsthafte Alternative zu bisherigen Reagenzien darstellen. Die strukturelle Aufklärung erfolgte durch die Kombination von Einkristallröntgenstrukturanalyse und NMR-Spektroskopie. Im Zuge dessen gelang es erstmals eine isolierte und definierte Benzylcäsiumverbindung im Festkörper zu charakterisieren. Die Anwesenheit verschiedener Alkalimetalle spiegelt sich darüber hinaus in einer veränderten Natur des Anions wider. Die Veränderungen der elektronischen Struktur in Abhängigkeit der Koordinations-umgebung, des Metalls und der Substituenten konnten mit Hilfe von NMR-spektroskopischen Untersuchungen, quantenchemischen Berechnungen und Verfeinerung experimentell bestimmter Elektronendichten evaluiert werden. Im konkreten Fall von Benzylanionen ist ein Zusammenspiel aus Metall- und Substituenteneffekten für das Maß der Ladungsdelokalisation entscheidend. Je größer das Metall und je weniger ladungsstabilisierende Liganden, desto größer ist die beobachtete Delokalisation der negativen Ladung, was sich in geometrischen Deformationen des Anions zeigt. Die Berechnung von NBO-Ladungen, das elektrostatische Potential und erste experimentelle Befunde deuten darauf hin, dass in Folge der Ladungsdelokalisation auch die Regioselektivität in Folgereaktionen mit Elektrophilen beeinflusst werden kann. Um das Verständnis des Einflusses von Alkalimetallen auf Substitutions-reaktionen erweitern zu können, wurden Allylsysteme hinsichtlich ihrer Regio- und Stereochemie in Kombination mit den Alkalimetallen Natrium bis Cäsium untersucht. Dabei konnten zum einen röntgenkristallographische Einblicke in metallierte Intermediate erhalten und zum anderen Abhängigkeiten von Metall, Reagenz und Elektrophil auf die Substitutionsreaktion beobachtet werden. Bei Verwendung eines Natriumalkoholats verringert sich die Stereoselektivität der Produktbildung erheblich, was unter Einsatz der Alkoholate späterer Alkalimetalle nicht der Fall war. Weitere Erkenntnisse über die Rolle der Alkalimetalle Natrium bis Cäsium in der organischen Synthesechemie konnten durch theoretische sowie experimentelle Studien, pharmazeutisch enorm relevanter Phenethylamine, gewonnen werden. Die Untersuchungen verdeutlichten, dass insbesondere die Metalle Natrium, Kalium, Rubidium und Cäsium metallierte Phenethylamine stabilisieren können, während Lithium dies nicht vermag. Quantenchemische Berechnungen zeigten darüber hinaus, dass nicht nur das Metall, sondern auch das Amin sowie die Substituenten eine entscheidende Rolle hinsichtlich der Stabilisierung einnehmen. Durch die Isolierung metallierter Intermediate und ihre strukturelle Aufklärung im Festkörper sowie in Lösung, konnten neben den theoretischen auch experimentelle Einblicke in die Chemie der metallierten Phenethylamine erhalten werden. In diesem Zusammenhang konnten Hydroaminierungsreaktionen und Aminometallierungen, ausgehend von Piperidin und verschiedenen Styrolderivaten, erfolgreich durchgeführt und ein Derivat des Anti-depressivums Venlafaxin dargestellt werden. Des Weiteren konnte die problematische Polymerisation von Styrol durch den Einsatz von Benzylmethylamin gehemmt werden. Neben neuen alkalimetallorganischen Reagenzien und Untersuchungen zum Metalleffekt der Alkalimetalle auf die Natur des Anions sowie auf organische Transformationen sollten auch etablierte Reagenzien zur Einführung von Alkalimetallen in einem neuen Blickwinkel betrachtet werden. Dahingehend wurde die Verwendung von Methyl-tert-butylether (MTBE) als Solvens für die Lochmann-Schlosser-Base und sein Einfluss auf Struktur und Reaktivität untersucht. Im Vergleich zu THF oder Diethylether zeichnet sich MTBE vor allem durch seinen größeren sterischen Anspruch und eine höhere Stabilität gegenüber superbasischen Systemen aus. Während MTBE-solvatisierte metallorganische Verbindungen kleinere oder ungewöhnliche Strukturmotive ausbilden, zeigen reine und gemischte Alkoholate die gleichen Strukturmotive wie bei Verwendung der anderen Ether auf. Darüber hinaus demonstrierten experimentelle Untersuchungen einen signifikanten Einfluss von MTBE auf die Metallierung und anschließende Substitution von zwei Testsubstraten. Parallele Untersuchungen in THF führten außerdem zur Isolierung und Charakterisierung einer reaktiven Spezies einer aminomethylferrocen-basierten Lochmann-Schlosser-Base. Diese konnte, aufgrund der Planarchiralität, enantiomerenrein dargestellt werden und bietet somit das Potential für stereoselektive Deprotonierungen. Zudem lieferte die strukturelle Besonderheit eines überbrückenden THF-Moleküls einen Erklärungsansatz für die Wechselwirkung der reaktiven Spezies mit Substraten, was ebenfalls auf andere Metallierungsreagenzien übertragen werden konnte. Das Spektrum der erhaltenen Ergebnisse dieser Arbeit zeigt, inwieweit die Alkalimetalle Natrium bis Cäsium eine bedeutende Rolle in der organischen Synthese einnehmen und Lithium in der Metallorganik ergänzen können
- Published
- 2022