Onnen Moerer, B. Schönhofer, Hans Fuchs, Dierk Schreiter, Michael Westhoff, Uwe Janssens, Wolfram Windisch, Steffen Weber-Carstens, Herz und Gefäßchirurgie e. V. Deutsche Gesellschaft für Thorax, Dominic Dellweg, Simone Rosseau, J Rollnik, Helmut Sitter, J. Geiseler, and J Hirschfeld-Araujo
ZusammenfassungBeatmungstherapie stellt einen zentralen und wesentlichen Bestandteil der modernen Intensivmedizin dar. Sie kommt bei Patienten mit schwerer respiratorischer Insuffizienz infolge Versagens der muskulären Atempumpe oder bei direkter oder indirekter Schädigung des Lungenparenchyms mit nachfolgendem Oxygenierungsversagen zum Einsatz, wenn mit anderen nicht-medikamentösen Maßnahmen, Sauerstoffgabe, Sekretmobilisation, kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck – Continuous Positive Airway Pressure (CPAP) oder Nasal-High-Flow-Therapie, keine ausreichende Stabilisierung erreicht werden kann.Die maschinelle Beatmung dient der direkten Behandlung der Atmungsinsuffizienz und schafft Zeit für die Behandlung der zugrundeliegenden Ursache. Der überwiegende Anteil beatmeter Patienten kann nach kurzzeitiger Beatmungstherapie und kausaler Behandlung unproblematisch von der Beatmung entwöhnt werden. Allerdings muss die Beatmung bei ca. 20 % der Patienten auch noch dann fortgesetzt werden, wenn die ursprüngliche Indikation (z. B. eine schwere Pneumonie) längst behoben ist, sodass sich die Phase des Weanings (Entwöhnung von der maschinellen Beatmung) deutlich verlängert. Ungefähr 40 – 50 % der gesamten Beatmungszeit eines Intensivpatienten entfallen aufgrund einer prolongierten Atmungsinsuffizienz auf den Prozess, den Patienten von der Beatmung zu trennen. Neben der respiratorischen Funktionsstörung tragen häufig hohes Alter und Komorbiditäten der Patienten zum prolongierten Weaning-Prozess bei.Nach internationalem Konsens liegt ein prolongiertes Weaning dann vor, wenn es erst nach 3 erfolglosen Spontanatmungsversuchen (spontaneous breathing trial = SBT) oder nach über 7 Tagen Beatmung nach dem ersten erfolglosen SBT gelingt, den Patienten von der Beatmung zu trennen.Das Patientenkollektiv mit prolongiertem Weaning stellt das behandelnde Team vor eine besondere Herausforderung. Ganz wesentlich für den Therapieerfolg ist die eng verzahnte interdisziplinäre Behandlung der Patienten im prolongierten Weaning. Nicht selten sind es der fehlende multidisziplinäre Ansatz und die unzureichende Beachtung der multifaktoriellen Ursachen, die ein erfolgreiches Weaning verhindern. Dieses erfolgreich durchzuführen, setzt eine hohe Expertise in der modernen Intensivmedizin, der Anwendung invasiver und nichtinvasiver Beatmungsverfahren, ein klares Weaning-Konzept, und eine enge, fachübergreifende interdisziplinäre Zusammenarbeit voraus.Im komplexen prolongierten Weaning-Prozess gelingt es in spezialisierten Weaning-Zentren/-Einheiten nach Verlegung der invasiv beatmeten Patienten in ca. 50 % der Fälle doch noch, ein Weaning-Versagen abzuwenden. Bei einem Teil der Patienten schlagen auch wiederholte Weaning-Versuche fehl, sodass gegebenenfalls eine dauerhafte invasive Beatmung in außerklinischer Umgebung erforderlich ist.Vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung des prolongierten Weanings, insbesondere der medizinischen, psychosozialen und ökonomischen Folgen des Weaning-Versagens, wurde erstmals 2014 diese Leitlinie auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) gemeinsam mit anderen wissenschaftlichen Fachgesellschaften, die sich zum Thema prolongiertes Weaning engagieren, publiziert. Aktuelle Forschungs- und Studienergebnisse, Registerdaten und die Erfahrungen in der täglichen Praxis machten die Revision dieser Leitlinie erforderlich.In der revidierten Leitlinie werden Definitionen, Epidemiologie und Weaning-Kategorien, die zugrundeliegende Pathophysiologie, Strategien zur Prävenion von prolongiertem Weaning, das gesamte Spektrum der verfügbaren Therapiestrategien, die Weaning-Einheit, die Überleitung in eine außerklinische Beatmung und schließlich Empfehlungen zu Therapieentscheidungen am Ende des Lebens bei prolongiertem bzw. erfolglosem Weaning abgehandelt.Besondere Schwerpunkte in der Revision der Leitlinie sind folgende Themenfelder:– Eine neue Klassifikation der Untergruppen der Patienten im prolongieren Weaning– Wichtige Aspekte der pneumologischen Rehabilitation und Neurorehabilitation im prolongieren Weaning– Infrastruktur und Prozessorganisation in der Versorgung von Patienten im prolongierten Weaning im Sinne eines kontinuierlichen Behandlungskonzeptes– Therapiezieländerung und Kommunikation mit AngehörigenDie Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten werden innerhalb der einzelnen Kapitel jeweils gesondert behandelt.Wichtige Adressaten dieser Leitlinie sind Intensivmediziner, Pneumologen, Anästhesisten, Internisten, Kardiologen, Chirurgen, Neurologen, Pädiater, Geriater, Palliativmediziner, Rehabilitationsmediziner, Pflegekräfte, Logopäden, Physiotherapeuten, Atmungstherapeuten, der medizinische Dienst der Krankenkassen und die Hersteller von Beatmungstechnik.Die wesentlichen Ziele der revidierten Leitlinie sind es, den aktuellen Wissensstand zum Thema „Prolongiertes Weaning“ wissenschaftlich zu bewerten und auf Basis der Evidenz und der Erfahrung von Experten Empfehlungen hinsichtlich des prolongierten Weanings nicht nur für den Bereich der Akutmedizin, sondern auch für den Bereich „Chronic critical care“ zu geben.