Betrachtet man die gegenwärtigen philosophischen Arbeiten über die Natur und den Status von kollektiver Intentionalität und Wir-Intentionen, fällt auf, wie viel Aufwand betrieben wird, um die Struktur gemeinsamer Handlungen zu analysieren und um nachzuweisen, ob die Intention, beispielsweise einen gemeinsamen Spaziergang zu unternehmen oder das Haus gemeinsam zu streichen, auf irgendeine Form der Ich-Intentionalität reduziert werden kann oder nicht. Viel weniger Arbeiten haben sich der Analyse geteilter Stimmungen und Emotionen gewidmet. Dies ist nicht nur deshalb bedauerlich, weil das Teilen von Emotionen (emotional sharing) in der Entwicklung aller Wahrscheinlichkeit nach gemeinsamen Handlungen vorangeht und logisch betrachtet grundlegender ist, sondern auch, weil es eine Art des Zusammenseins mit Anderen konstituiert, die wir untersuchen müssen, wenn wir die Natur des Wir verstehen wollen. Mein vorrangiges Ziel in diesem Beitrag ist es, eine Antwort auf die folgende Frage zu geben: Setzt die Wir-Erfahrung, die Erfahrung, Teil eines Wir zu sein, die Differenzierung von Selbsterfahrung und Fremderfahrung voraus, geht sie ihr voraus, erhält sie sie aufrecht, oder hebt sie sie auf? Um diese Frage zu beantworten, werde ich das Teilen von Emotionen näher betrachten und Quellen heranziehen, die in der gegenwärtigen Sozialontologie zu häufig ignoriert werden, nämlich Einsichten, die sich in der klassischen Phänomenologie und in der gegenwärtigen Forschung zu sozialer Kognition finden lassen. [ABSTRACT FROM AUTHOR]